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Aufspanner zur Geburtshilfe

Als Recherche für die geplante Ausstellung Frankfurt Einst? im Bereich 100 x Frankfurt habe ich mir den „Aufspanner zur Geburtenhilfe“ vorgenommen. Seinen Ursprung hat der Aufspanner laut Datierung in der museumseigenen Datenbank und in den Ausstellungskatalogen Ende des 16. Jahrhunderts.

historisches museum frankfurt: Geburtshelfer im Depot, X16631Wie der Geburtshelfer eigentlich funktioniert, konnte ich mir so allmählich erschließen. Durch das Drehen einer Kurbel spreizen drei längliche Stäbe die Körperöffnung, aus der das Baby kommt. Doch hat das chirurgische Instrument seinen Ursprung tatsächlich in der Geburtenhilfe und somit dem altertümlichen Gewerbe der Hebamme? habe ich mich im Laufe der Beschäftigung mit dem Objekt gefragt.

In Nasser Zahedis Erläuterung zur Entwicklungsgeschichte der Geburtszange habe ich ein sogenanntes Specula aus Pompeji entdeckt, das aus dem 1. Jahrhundert stammt. Es diente dem Arzt Hippokrates zur Erweiterung der Gebärmutter, zur Untersuchung des Muttermundes und ebenfalls zur rektalen Untersuchung. Dies ließ mich ein wenig zweifeln, ob der Aufspanner tatsächlich ins 16. Jahrhundert gehört. Ich forschte indessen weiter und wurde fündig:  die geburtshilflich-gynäkologische Sammlung bei der Universitätsmedizin Greifwald lässt sich auch online recherchieren. Dort befindet sich ein ähnliches Pompejisches Speculum aus dem 17. Jahrhundert in der Sammlung. Hier konnte ich tief in das Thema eintauchen und viel zur Geschichte der gynäkologischen Instrumente sowie dem Beruf der Hebamme erfahren. Die Zugehörigkeit des Aufspanners zur Gynäkologie und dessen Datierung erschien mir somit eindeutig.

Die Tätigkeit einer Hebamme ist alt, sollte doch die Mutter bei einer Geburt nicht alleingelassen werden. Entbindungen wurden lange Zeit nur von Frauen durchgeführt. Beliebt waren vor allem die Älteren, da sie die nötige Erfahrung zur Betreuung der Schwangeren hatten. Zahedi beschreibt, dass es eine Hebamme im 16. Jahrhundert nicht besonders leicht hatte. Neben ihrer eigenen übernahm sie die zeitaufwendige Versorgung der Familie der Schwangeren. Das Herrichten des Tauffestes oblag ebenfalls in ihrer Verantwortung. Die feierlichen Ess- und Trinkgelage in den Wochenstuben waren Frauensache. Dank einiger Holzschnitte konnte ich anschauen, wie diese Feste ausgesehen haben.

Doch zu viele Kinder oder Mütter starben, da unglaubliche 20 Geburten im Leben einer Frau keine Seltenheit waren und überall Probleme lauerten. Und sprachen die Hebammen etwa von Verhütung oder Abtreibung, wurden sie als Hexen beschimpft.

Im Laufe der Zeit wurde auch die Geburt Teil wissenschaftlicher Forschungen; so dass die Ärzte hier immer mehr Einfluß gewannen  und die Gefahren bei Geburten durch den medizinischen Fortschritt besser bewältigt werden konnten. Die Geburt war damit zu einer wissenschaftlichen Disziplin geworden, für die immer neue Geräte entwickelt wurden.

Der Ablauf der Geburt wurde in zahlreichen Büchern und Hebammenordnungen beschrieben – in Frankfurt zum Beispiel bereits 1578. Die Hebamme entwickelte sich also zu einem wirklichen Beruf, mit festen Einkommen, eine Altersversorgung sowie eine strikte Auflage für die Entbindung. Die ständige Kontrolle über die Geburtshilfe der Stadt Frankfurt übernahm gemäß der Hebammen-Ordnung von 1703 der allgemeine Almosenkasten. Später erhielten sie zudem eine qualifizierte Ausbildung an Hebammenschulen, die sie in die hohe Kunst der Gynäkologie einführen sollten. Die Anwendung von Geburtszangen und von einem Aufspanner, wie unserem, erlernten sie womöglich ebenfalls an diesen Schulen. Heutzutage ist natürlich alles wieder anders – aber den Hebammenberuf gibt es immer noch.

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