Ausstellen Neudenken + Entwerfen

DASAein – Zur Topologie des Immateriellen

Gut zwei Wochen hat es gedauert mein erstes Szenografie-Kolloquium in der Deutschen Arbeiterschutzausstellung in Dortmund zu verdauen. Drei Tage lang gab es da zwischen Baustellen-Diorama – hallo hmf – und Buffetschlacht – hallo Grünkohl – einen bunten Strauß an Beiträgen „Zur Topologie des Immateriellen“.

Partizipation und Position

„Die Auslegeordnung ist ja auch eine Schweizer Spezialität“

Mit dem Stapferhaus Lenzburg, dem Historischen Museum Basel und dem Museum für Kommunikation in Bern waren gleich drei Häuser zugegen, um uns das genauer zu erklären. Zugrunde gelegt werden muss, dass die Ausstellung eine komplett inszenierte Welt ist, quasi ein begehbares Theaterstück, das die Besucher/innen zur Aufführung braucht. Der Mensch steht im Mittelpunkt dieses Ausstellungskonzepts, ist Subjekt und Objekt zugleich und damit bedeutender Bestandteil der Inszenierung. Durch immersive Erfahrungswelten und verschiedene Handlungsangebote bekommen die Besucher/innen diese Rolle vermittelt und fühlen sich im besten Falle so in sie ein, dass sie einen anderen Blick auf die ihnen bekannte Welt gewinnen. Konkret heißt das: Ausstellungsbesucher/innen werden zu Supermarkt-Kunden gemacht, um sich mit dem Thema Entscheiden aktiv zu beschäftigen oder sie finden sich in moralischen Dilemmata wieder, um sich mit der Todesstrafe auseinander zu setzen. Kann man hier nicht mal seine Ruhe haben? Nö. Geistige Anregung ist das Motto. Zack. Um dem Vorwurf der manipulativen Event-Hypnose zu entgehen, bedarf es allerdings einer klaren Positionierung, „Kuratoren müssen Stellung beziehen und ihre Intentionen offen legen.“, sagt Marie-Paule Jungblut vom Historischen Museum Basel – transparency international.

exhibition as social catalyst

Noch einen Schritt weiter gehen die Kollegen/innen aus dem englischsprachigen Raum. Eventisierung ist hier das Mittel zum Zweck, um Ausstellungen zu Motoren des Sozialen Wandels zu machen. Während das Miami Museum of Science auf eine direkte Vernetzung der aktiven Community setzt – interessiert an Umweltschutz? Über diesen QR-Code kannst du umgehend den Familienausflug zum Müllsammeln auf dem Lande buchen – entwickelt man in New York mit künstlerischer Forschung do-it-yourself-Methoden um die Welt zu verbessern. Und aus Israel importieren wir ein Spielkonzept, das im Multiplayer-Modus das Thema Altern erfahrbar macht, leuchtet die Pensionierungskette ist das Spiel vorbei. Social Service mit Unterhaltungswert. Why not? Future is coming, die Frage der vermittelten Inhalte ist eine andere.

Alltagspartituren und Handlungswissen

Zurück in good old Germany scheint dagegen vielmehr dieser Wandel selbst in vielfältigen Projekten thematisiert zu werden. „Wie können wir semantisch Verbrauchtes wieder aufladen“ fragen beispielsweise die Peanutz Architekten und versuchen gezielt Erfahrungen zu konservieren. Und das Künstlerkollektiv „New Guide to Opera“ durchforstet die Welt nach sogenannten Alltagspartituren, wie beispielsweise das Fernsehprogramm vom Juni 1954, die dann als räumliche Systeme zur Verfügung gestellt und mit neuem Leben der Partizipienten gefüllt werden. Die Vergänglichkeit spielt hier nicht nur thematisch die Hauptrolle, sie wird auch medial umgesetzt, Performance Performance. Es werden also erneut nur temporäre Daseins-Momente geschaffen – verweile doch du bist so schön – deren Nachhaltigkeit äußerst fragwürdig sind und eigentlich direkt im nächsten Anschlussprojekt behandelt werden könnten.

Inmitten der schönsten Maschinenmaterialität traf sich eine große Runde Ausstellungsmacher/innen um einmal mehr zu fragen, was das Medium Ausstellung überhaupt kann. Mit Blick auf das Thema fielen die Antworten banal bis magisch aus, denn wer das Nicht-Greifbare vermitteln will, muss schon ein bisschen (faulen) Bühnenzauber betreiben. Die Leerstelle des Immateriellen wurde dabei zumeist durch soziale Themenkomplexe – Gerücht, Strafe, Nachhaltigkeit, Rituale, Entscheiden, Altern, Strukturwandel – ausgefüllt und anhand von Ausstellungsbeispielen vermittelt. Die Topologie des Ganzen bezog sich auf die räumliche, dreidimensionale Ausformung, die ja überhaupt erst die Voraussetzung dafür ist, dass man von einer Ausstellung sprechen kann. Und eben dieser Raum ist der Ort, an dem der Zauber passiert.

Da gibt es Ausstellungen, die Geschichten erzählen, solche, die das Unsichtbare sichtbar machen und einige, die sogar sozialen Wandel anstoßen wollen. Emotional hoch-manipulativ? Ja, aber im positiven Sinne…

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