„Uns geht es erst einmal darum, Ideen erst gemeinsam zu entwickeln und sie dann gemeinsam umzusetzen.“

Damit beschreibt Enida Delalić vom Offenen Haus der Kulturen e.V. (OHA) das Selbstverständnis, mit der ihr Verein zusammen mit anderen Bildungsträger*innen aus Frankfurt-Bockenheim ihren Lebensort gestalten möchte. Zu diesem Gestaltungsanspruch gehört auch die Entwicklung von Bildungsangeboten, die in Kooperation mit verschiedenen Netzwerkpartner*innen entstanden und in Zukunft entstehen sollen.Wie wichtig sind also Netzwerke im Bereich der (digitalen) Bildung – und was müssen sie leisten, um nachhaltig funktionieren zu können? Diese und andere Fragen wollten wir als Projektteam des geplanten Content-Hubs Open History Frankfurt am Ende der ersten Arbeitsphase von unseren Co-Partner*innen wissen. Am 25. November 2024 haben wir daher zu einer hybrid stattfindenden Podiumsdiskussion im Leopold-Sonnemann-Saal des Historischen Museums eingeladen, die auch via YouTube-Livestream übertragen wurde.
Für den ersten Bereich der medialen Vermittlungsstrategien durften wir Natalie Emmer vom Medienprojektzentrum Offener Kanal Rhein-Main (MOK) und Volker Seipp, Leiter des Medienzentrums Darmstadt begrüßen. Enida Delalić, die als Binnenkoordinatorin am OHA tätig ist, und Sophie Schmidt, die als abgeordnete Lehrerin am Jüdischen Museum Frankfurt (JMF) arbeitet, lieferten uns im zweiten Teil der Veranstaltung Einblicke in die Sichtbarmachung stadtgeschichtlicher Inhalte.


Wie lernen wir Digitalität?
Im Hinblick auf den Einsatz digitaler Lehrmittel im Bildungsbereich und vor allem an Schulen warnt Volker Seipp, der selbst Geschichtslehrer ist, es sich zu einfach zu machen: „In den Köpfen vieler Lehrkräfte wird Digitalität mit Digitalisierung verwechselt. Das bedeutet, dass aus dem analogen Heft ein digitales Heft wird. Doch damit ist noch nichts erreicht“. Trotzdem ist er der Ansicht, dass Digitalität bereits vielerorts im Unterricht stattfindet und für einen Wandel in der Lehre gesorgt hat. Den Schüler*innen käme dadurch eine höhere Selbstwirksamkeit und Verantwortlichkeit in der Gestaltung des Lehr-Lern-Settings zu.
Wie notwendig diese partizipativen Handlungs- und Spielräume in der digitalen Bildung sind, betont auch Natalie Emmer. Bei der Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen am MOK ist es ihr immer ein Anliegen, sich an deren Bedürfnissen und Interessen zu orientieren, unterschiedliche Sehgewohnheiten zu akzeptieren und der Kreativität keine Grenzen zu setzen. Gleichzeitig wird versucht, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen und ihre praktische Umsetzung einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf diese Weise erhalten die fertigen Produkte einen erkennbaren Mehrwert, womit weitere Anreize zur Content-Produktion geschaffen werden.


Nach der ersten Gesprächsrunde hatten die Teilnehmer*innen in einer 30-minütigen Pause die Möglichkeit, über das Umfrage-Tool Mentimeter die Erwartungen und Motivationen zu kommunizieren, die sie an die Entstehung des Projekts Open History Frankfurt, aber auch den Besuch der Veranstaltung knüpfen.
Anschließend startete die zweite Runde, in der ich mich mit Sophie Schmidt und Enida Delalić dazu austauschen durfte, wie Stadtgeschichte(n) gemeinschaftlich und vielfältig erzählt werden können


Stadtgeschichte(n) erzählen – und vermitteln!
In der Frage um wachsende Digitalität spricht sich Delalić bei aller Befürwortung dieser Entwicklung dafür aus, dass gerade mit Blick auf die bewegte Geschichte des Studierendenhauses und des Campus in Bockenheim ein Besuch des Ortes oftmals unerlässlich ist, um die historischen Hintergründe begreifen zu können. Auf die Frage, ob bei Vereinen wie dem OHA oder anderen solidarischen Bündnissen auch Misstrauen gegenüber etablierten Institutionen wie Museen herrscht, antwortet sie, dass sich eine netzwerkbasierte Zusammenarbeit mit ebendiesen Einrichtungen stets als sehr produktiv erwiesen hat. Sie würden außerdem dabei helfen, die benötigten Ressourcen für bestimmte Bildungsprojekte aufzuwenden.
Bildung benötigt also Offenheit – sowohl in Bezug auf die Nutzung von Materialien, als auch Offenheit gegenüber unterschiedlicher Perspektiven auf die Frankfurter Geschichte. Mit beiden Aspekten sah sich auch Sophie Schmidt konfrontiert, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Alexander Schlepper Open Educational Resources (OER) für das JMF entwickelt hat. Das Vorhaben, möglichst zugängliches Bildungsmaterial zur Verfügung zu stellen, deckt sich dabei mit dem Selbstverständnis des Hauses als „Museum ohne Mauern“. Zwar sei dieses OER-Vermittlungsangebot auch immer unmittelbar an die Institution gekoppelt, befände sich jedoch deswegen nicht in einem isolierten Zustand. Die Konzeption von offenen Lehr- und Lerninhalten entstand auch durch einen produktiven Austausch mit anderen Einrichtungen, die für ihre Vermittlungsarbeit ähnliche Werte vertreten.
Eine besondere Herausforderung sei die Orientierung der Bildungskonzepte an den Bedürfnissen der Endnutzer*innen, so Schmidt. Sobald es an einer klaren Ansprache und Identifikationspotenzialen fehle, könne auch das Label „Bildung für alle“ nicht dabei helfen, konkrete Nutzungsanreize zu schaffen. Die Verwendung eines kompletten Jahres zur Erforschung dieser individuellen Bedürfnisse und Ansprüche an digitales Lehr- und Lernmaterial, wie es im Projekt Open History Frankfurt der Fall ist, bewertet sie daher als äußerst positiv.
Wie geht es weiter?
Mit dem neuen Jahr hat 2025 auch die Arbeit an den digitalen Vermittlungsangeboten des geplanten Content Hubs begonnen. In mehreren Etappen sollen bis Anfang Juli in partizipativer Zusammenarbeit Konzepte entstehen, die anschließend technisch und medial realisiert werden. Der Launch von Open History Frankfurt und somit der Zeitpunkt, ab dem die Angebote nutzbar sein werden, wird voraussichtlich der Beginn des Jahres 2027 sein.
Kick Off im März
Im März wird es dazu am Historischen Museum eine Netzwerkveranstaltung geben, die als Kick Off für die drauffolgende Konzeptarbeit dienen soll. Ziel des Termins ist es, den Beteiligten und Interessengruppen auf der Basis vorheriger Fokusgespräche ein erstes Grundkonzept vorzustellen und mit ihnen über Partizipationsmöglichkeiten und Selbstverortungen zu sprechen.
Ein genaues Datum werden wir in den kommenden Wochen bekannt geben.
Projekt-Stammtische von März bis Mai
Im Anschluss an diese Veranstaltung werden wir drei an unterschiedlichen Orten stattfindende Projekt-Stammtische anbieten. Die Termine sind als Treffen in lockerer Atmosphäre an Orten außerhalb des Museums angesetzt und bilden als Kreativ-Workshops den Rahmen konkrete Ideen für den Feinschliff des Grob-Konzepts zu entwickeln. Anhand einer bestimmten Fragestellung pro Interessengruppe sind sie dazu gedacht, Netzwerkstrukturen, Arbeitsanforderungen und Beteiligungsformen festzulegen sowie Qualitätskontrollen und klare „Spielregeln“ zu definieren.
Alle Informationen dazu, wann und wo die Termine stattfinden werden, werden im Rahmen der Kick Off-Netzwerkveranstaltung bekannt gegeben. Interessierte können sich schon jetzt per Mail melden.
Testing-Runden im Juni
Nach der Festlegung dieser Parameter geht es danach in die Entwicklung prototypischer Modelle von Vermittlungsangeboten. Als leicht zugängliche, intuitiv nutzbare Pen-and-Paper-Games bzw. Click-Dummies werden diese schließlich in sechs Testing-Runden auf ihre Tauglichkeit überprüft. Auf diese Weise soll in verschiedenen Bildungskontexten ein erster Kontakt zu den Angeboten entstehen und die Möglichkeit zu Feedback, Kritik und Verbesserungsvorschlägen eröffnet werden.
Auch hier werden wir alle Informationen dazu bei der der Kick Off-Netzwerkveranstaltung bekannt geben. Genau wie bei den Projekt-Stammtischen können sich Interessierte auch hier schon jetzt per Mail melden.
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