Neudenken + Entwerfen

Digitale Bildung als kulturpolitische Verantwortung? Ein Gespräch über die Bedeutung offener Netzwerke

„Uns geht es erst einmal darum, Ideen erst gemeinsam zu entwickeln und sie dann gemeinsam umzusetzen.“

 

Zwei Personen stehen auf einer Bühne mit Mikrofonen. Auf der Bühne befinden sich sechs Stühle sowie ein Tisch mit Wasserflaschen und weiteren Mikrofonen. Die Person links, Dr. Franziska Mucha, spricht in ihr Mikrofon. Ihr Kollege Alexander Duschek, rechts auf der Bühne blickt sie an. Im Vordergrund sind die Hinterköpfe von vier Personen zu sehen, die auf die Bühne blicken. Hinter den beiden Personen auf der Bühne ist eine Projektion zu erkennen, die einzelne Post-Its mit den Evaluationsergebnissen aus der ersten Projektphase zeigt. darauf steht "Verbindung zu Lebensrealitäten", "Selbstverortung des Museums", "Formatverknüpfungen", "Sichtbarkeit von Autor*innen", "Fokus auf mediale Nutzungsverhalten" und "Filtersysteme" steht.
Dr. Franziska Mucha und Alexander Duschek leiten mit einer kurzen Vorstellung des Projekts und einer Begrüßungsrunde in den Abend ein. © Historisches Museum Frankfurt/Jens Gerber 2024.

Damit beschreibt Enida Delalić vom Offenen Haus der Kulturen e.V. (OHA) das Selbstverständnis, mit der ihr Verein zusammen mit anderen Bildungsträger*innen aus Frankfurt-Bockenheim ihren Lebensort gestalten möchte. Zu diesem Gestaltungsanspruch gehört auch die Entwicklung von Bildungsangeboten, die in Kooperation mit verschiedenen Netzwerkpartner*innen entstanden und in Zukunft entstehen sollen.Wie wichtig sind also Netzwerke im Bereich der (digitalen) Bildung – und was müssen sie leisten, um nachhaltig funktionieren zu können? Diese und andere Fragen wollten wir als Projektteam des geplanten Content-Hubs Open History Frankfurt am Ende der ersten Arbeitsphase von unseren Co-Partner*innen wissen. Am 25. November 2024 haben wir daher zu einer hybrid stattfindenden Podiumsdiskussion im Leopold-Sonnemann-Saal des Historischen Museums eingeladen, die auch via YouTube-Livestream übertragen wurde.
Für den ersten Bereich der medialen Vermittlungsstrategien durften wir Natalie Emmer vom Medienprojektzentrum Offener Kanal Rhein-Main (MOK) und Volker Seipp, Leiter des Medienzentrums Darmstadt begrüßen. Enida Delalić, die als Binnenkoordinatorin am OHA tätig ist, und Sophie Schmidt, die als abgeordnete Lehrerin am Jüdischen Museum Frankfurt (JMF) arbeitet, lieferten uns im zweiten Teil der Veranstaltung Einblicke in die Sichtbarmachung stadtgeschichtlicher Inhalte.

Rechts ist Volker Seipp als Gesprächsgast zu sehen, wie er ein Mikrofon hält und spricht. Links neben ihm sitzen Natalie Emmer und Dr. Franziska Mucha und sehen ihn an. Alle drei Personen sitzen vor einer Beamer-Projektion auf Stühlen auf einer Bühne
Volker Seipp argumentiert für die wichtige Bedeutung lizenzfreier und kollaborativer Digitalangebote für den Schulunterricht. © Historisches Museum Frankfurt/Jens Gerber 2024.
Im Zentrum des Bilds ist Natalie Emmer vor einer Beamer-Projektion zu sehen, wie sie in ein Mikrofon spricht, das sie in ihrer rechten Hand hält.
Natalie Emmer erzählt von der praktischen Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen am MOK. © Historisches Museum Frankfurt/Jens Gerber 2024.

Wie lernen wir Digitalität?

Im Hinblick auf den Einsatz digitaler Lehrmittel im Bildungsbereich und vor allem an Schulen warnt Volker Seipp, der selbst Geschichtslehrer ist, es sich zu einfach zu machen: „In den Köpfen vieler Lehrkräfte wird Digitalität mit Digitalisierung verwechselt. Das bedeutet, dass aus dem analogen Heft ein digitales Heft wird. Doch damit ist noch nichts erreicht“. Trotzdem ist er der Ansicht, dass Digitalität bereits vielerorts im Unterricht stattfindet und für einen Wandel in der Lehre gesorgt hat. Den Schüler*innen käme dadurch eine höhere Selbstwirksamkeit und Verantwortlichkeit in der Gestaltung des Lehr-Lern-Settings zu.

Wie notwendig diese partizipativen Handlungs- und Spielräume in der digitalen Bildung sind, betont auch Natalie Emmer. Bei der Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen am MOK ist es ihr immer ein Anliegen, sich an deren Bedürfnissen und Interessen zu orientieren, unterschiedliche Sehgewohnheiten zu akzeptieren und der Kreativität keine Grenzen zu setzen. Gleichzeitig wird versucht, gesellschaftlich relevante Themen aufzugreifen und ihre praktische Umsetzung einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Auf diese Weise erhalten die fertigen Produkte einen erkennbaren Mehrwert, womit weitere Anreize zur Content-Produktion geschaffen werden.

Rechts im Bild ist Franziska Mucha zu sehen, wie sie auf die Beamer-Projektion links von ihr blickt. Sie steht dabei auf einer Bühne zwischen drei Stühlen und spricht in ein Mikrofon. Die Projektion zeigt die Ergebisse einer interkativen und digitalen Mentimeter-Umfrage mit dem Titel "Wer ist heute hier?". Darunter sind die Antworten als unterschiedlich hohe Balken zu erkennen: Zwei Lehrkräfte, drei Stadtteilhistoriker*innen, fünf Museumsmitarbeiter*innen, drei Personen aus der OER-Praxis, vier Medienexpert*innen, zwei Personen aus der freien Kulturszene, einer Person aus der universitären Lehre und null Personen aus Vereinen.
Franziska Mucha blickt auf die Ergebnisse der Mentimeter-Umfrage. © Historisches Museum Frankfurt/Jens Gerber 2024.
Das Bild zeigt die Hände einer älteren Person, die ein Smartphone hält. Darauf ist eine Frage aus der Mentimeter-Umfrage zu sehen. Sie lautet: "Was sind Ihre und eure Erwartungen von dieser Veranstaltung?" Darunter ist ein Textfeld, das noch leer ist, sowie ein Button mit dem Hinweis "Submit".
Die Veranstaltung sollte den Teilnehmenden die Möglichkeit bieten, den Redner*innen ihre Ansprüche und Erwartungshaltungen im Hinblick auf die Entwicklung eines digitalen Content-Hubs zu kommunizieren. © Historisches Museum Frankfurt/Jens Gerber 2024.

Nach der ersten Gesprächsrunde hatten die Teilnehmer*innen in einer 30-minütigen Pause die Möglichkeit, über das Umfrage-Tool Mentimeter die Erwartungen und Motivationen zu kommunizieren, die sie an die Entstehung des Projekts Open History Frankfurt, aber auch den Besuch der Veranstaltung knüpfen.
Anschließend startete die zweite Runde, in der ich mich mit Sophie Schmidt und Enida Delalić dazu austauschen durfte, wie Stadtgeschichte(n) gemeinschaftlich und vielfältig erzählt werden können

Enida Delalić berichtet von den gesellschaftlichen und politischen Herausforderung für das Studierendenhaus und den Kulturcampus Bockenheim. © Historisches Museum Frankfurt/Jens Gerber 2024.
Rechts ist Sophie Schmidt als Rednerin zu sehen, wie sie ein Mikrofon hält und spricht. Links neben ihr sitzt Enida Delalic, rechts neben ihr Alexander Duschek. Beide sehen sie an. Alle drei Personen sitzen vor einer Beamer-Projektion auf Stühlen auf einer Bühne
Sophie Schmidt nennt die zahlreichen Faktoren, die bei der Konzeptionierung von Open Educational Resources berücksichtigt werden müssen. © Historisches Museum Frankfurt/Jens Gerber 2024.

Stadtgeschichte(n) erzählen – und vermitteln!

In der Frage um wachsende Digitalität spricht sich Delalić bei aller Befürwortung dieser Entwicklung dafür aus, dass gerade mit Blick auf die bewegte Geschichte des Studierendenhauses und des Campus in Bockenheim ein Besuch des Ortes oftmals unerlässlich ist, um die historischen Hintergründe begreifen zu können. Auf die Frage, ob bei Vereinen wie dem OHA oder anderen solidarischen Bündnissen auch Misstrauen gegenüber etablierten Institutionen wie Museen herrscht, antwortet sie, dass sich eine netzwerkbasierte Zusammenarbeit mit ebendiesen Einrichtungen stets als sehr produktiv erwiesen hat. Sie würden außerdem dabei helfen, die benötigten Ressourcen für bestimmte Bildungsprojekte aufzuwenden.

Bildung benötigt also Offenheit – sowohl in Bezug auf die Nutzung von Materialien, als auch Offenheit gegenüber unterschiedlicher Perspektiven auf die Frankfurter Geschichte. Mit beiden Aspekten sah sich auch Sophie Schmidt konfrontiert, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Alexander Schlepper Open Educational Resources (OER) für das JMF entwickelt hat. Das Vorhaben, möglichst zugängliches Bildungsmaterial zur Verfügung zu stellen, deckt sich dabei mit dem Selbstverständnis des Hauses als „Museum ohne Mauern“. Zwar sei dieses OER-Vermittlungsangebot auch immer unmittelbar an die Institution gekoppelt, befände sich jedoch deswegen nicht in einem isolierten Zustand. Die Konzeption von offenen Lehr- und Lerninhalten entstand auch durch einen produktiven Austausch mit anderen Einrichtungen, die für ihre Vermittlungsarbeit ähnliche Werte vertreten.
Eine besondere Herausforderung sei die Orientierung der Bildungskonzepte an den Bedürfnissen der Endnutzer*innen, so Schmidt. Sobald es an einer klaren Ansprache und Identifikationspotenzialen fehle, könne auch das Label „Bildung für alle“ nicht dabei helfen, konkrete Nutzungsanreize zu schaffen. Die Verwendung eines kompletten Jahres zur Erforschung dieser individuellen Bedürfnisse und Ansprüche an digitales Lehr- und Lernmaterial, wie es im Projekt Open History Frankfurt der Fall ist, bewertet sie daher als äußerst positiv.

Wie geht es weiter?

Mit dem neuen Jahr hat 2025 auch die Arbeit an den digitalen Vermittlungsangeboten des geplanten Content Hubs begonnen. In mehreren Etappen sollen bis Anfang Juli in partizipativer Zusammenarbeit Konzepte entstehen, die anschließend technisch und medial realisiert werden. Der Launch von Open History Frankfurt und somit der Zeitpunkt, ab dem die Angebote nutzbar sein werden, wird voraussichtlich der Beginn des Jahres 2027 sein.

Kick Off im März

Im März wird es dazu am Historischen Museum eine Netzwerkveranstaltung geben, die als Kick Off für die drauffolgende Konzeptarbeit dienen soll. Ziel des Termins ist es, den Beteiligten und Interessengruppen auf der Basis vorheriger Fokusgespräche ein erstes Grundkonzept vorzustellen und mit ihnen über Partizipationsmöglichkeiten und Selbstverortungen zu sprechen.
Ein genaues Datum werden wir in den kommenden Wochen bekannt geben.

Projekt-Stammtische von März bis Mai

Im Anschluss an diese Veranstaltung werden wir drei an unterschiedlichen Orten stattfindende Projekt-Stammtische anbieten. Die Termine sind als Treffen in lockerer Atmosphäre an Orten außerhalb des Museums angesetzt und bilden als Kreativ-Workshops den Rahmen konkrete Ideen für den Feinschliff des Grob-Konzepts zu entwickeln. Anhand einer bestimmten Fragestellung pro Interessengruppe sind sie dazu gedacht, Netzwerkstrukturen, Arbeitsanforderungen und Beteiligungsformen festzulegen sowie Qualitätskontrollen und klare „Spielregeln“ zu definieren.
Alle Informationen dazu, wann und wo die Termine stattfinden werden, werden im Rahmen der Kick Off-Netzwerkveranstaltung bekannt gegeben. Interessierte können sich schon jetzt per Mail melden.

Testing-Runden im Juni

Nach der Festlegung dieser Parameter geht es danach in die Entwicklung prototypischer Modelle von Vermittlungsangeboten. Als leicht zugängliche, intuitiv nutzbare Pen-and-Paper-Games bzw. Click-Dummies werden diese schließlich in sechs Testing-Runden auf ihre Tauglichkeit überprüft. Auf diese Weise soll in verschiedenen Bildungskontexten ein erster Kontakt zu den Angeboten entstehen und die Möglichkeit zu Feedback, Kritik und Verbesserungsvorschlägen eröffnet werden.
Auch hier werden wir alle Informationen dazu bei der der Kick Off-Netzwerkveranstaltung bekannt geben. Genau wie bei den Projekt-Stammtischen können sich Interessierte auch hier schon jetzt per Mail melden.

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