Neudenken + Entwerfen

Digitale Museumspraxis #18 – Objekte dekodieren?

Nach einer langen Funkstille habe ich endlich Zeit gefunden für ein kleines Lebenszeichen und eine große Empfehlung. Am 15. März war ich bei „Decoding Inequality: Analysing Collection“ – einer Veranstaltung der Glasgow Women’s Library – und mehr als einmal musste ich an das Historische Museum, den Sammlungs-Check und die 360° Kuratorinnen denken.

Die Glasgow Women’s Library (GWL) ist ein besonderer Ort in Glasgow – irgendwo zwischen Community Museum, Bücherei, Archiv und Veranstaltungsort verhandelt die GWL feministische Diskurse. Auf ihrer Webseite beschreiben sie ihre Arbeit als „dedicated to women’s lives, histories and achievements” und es ist wichtig die ‚Grassroots‘ der GWL im Hinterkopf zu haben. Als feministisches Museum verfolgt die GWL eine politische Agenda, die durch das Gebäude, die gesammelten Geschichten und Objekte, sowie die organisierten Aktivitäten konstituiert wird. Die GWL ist nicht neutral. Und obwohl das auf die meisten Museen zutrifft – der Mythos des neutralen Museums bröckelt zusehends, weil natürlich auch die Meinung der Kurator*innen eine bestimmte Haltung vermittelt, von Objekten und deren Kontext gar nicht zu sprechen – betone ich das hier besonders, weil die GWL eindeutig Position bezieht. Ihre Analyse der eigenen Haltung ist hier genauer nachzulesen.

Als Modellprojekt für neue Praktiken im Kulturbereich, sieht sich die GWL auch immer wieder in der Verantwortung die eigenen Erfahrungen mit anderen Kolleg*innen aus dem Sektor zu teilen. Die Veranstaltung, bei der ich war, war ein typisches Angebot aus dieser Vermittlungsansatz. Im Rahmen des Ausstellungsprojekts „Decoding Inequality“ hat das Team um Rachel Thain-Gray verschiedene Methoden entwickelt, um ihre Sammlung zu analysieren. Ganz grundsätzlich ging es dabei um die feministische Interpretation von 25 Objekten aus der Sammlung der GWL. Diese Befragung war einerseits ans eigene Team gerichtet, das sich mit einem Fragebogen an den Objekten abarbeitete. Andererseits wurde die Community per Twitter eingeladen, ihre Erfahrungen, Erinnerungen und Beziehungen zu diesen Objekten mitzuteilen. Die Ergebnisse beider Aktionen beeinflussten die Objektauswahl und die thematischen Klammern der Ausstellung. Und durch die Mini-Crowdsourcing-Aktion konnte das Wissen um die Objekte durch neue Kontexte und Geschichten erweitert werden.

Mit welchen Fragen hat die GWL gearbeitet?

Im Selbstversuch konnten die eingeladenen Museumskolleginnen und ich dann die Fragen an eigenen Objekten ausprobieren: What kind of object is this? Which identity group/s and area/s does it focus on? Which societal system does the object fit into? Which form of prejudice does it enact or respond to? Which method of prejudice is used? In meiner Gruppe gab es mit einer Museologin, einer Vermittlungskuratorin und mir ganz schön vielfältige Diskussionen – und eine der größten Fragen war: inwiefern lesen wir unsere eigenen Erfahrungen, Erinnerungen und Assoziationen in ein Objekt hinein? Diese Selbstreflexion war eine wichtige Voraussetzung, um sich diesen Objekten zu nähern und ein interessanter Weg, um sich der eigenen Perspektive bewusst zu werden. Was wohl passiert, wenn man viele dieser Perspektiven zu einem Objekt sammelt, womöglich noch digital, auf einer Online-Plattform? Stay tuned for more – zum Beispiel zu Crowdsourcing und wie wir das Wissen vieler zusammentragen könnten…

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