Neudenken + Entwerfen

Digitale Museumspraxis 2022: erstmal Aufräumen.

Seit April 2022 gibt es im Historischen Museum Frankfurt eine neue, volle und unbefristete Kurator*innen-Stelle für Digitale Museumspraxis. Das ist ein wunderbarer Erfolg, der zeigt, dass im Museum und Kulturamt verstanden wird: eine nachhaltige Auseinandersetzung mit Digitalität braucht langfristige Perspektiven. Die Entwicklung und praktische Umsetzung einer digitalen Strategie braucht enge Betreuung und regelmäßige Reflexion, sonst bleibt es bei austauschbaren Mission Statements (die schön aussehen auf Papier, wie Antje Schmidt bei der MAI Tagung zuspitzte). Und der Aufbau von Kompetenzen und Netzwerken geht ohne eine treibende Kraft im Haus und Ansprechpartner*in nach außen einfach nicht voran (wie zum Beispiel in der One-by-One Studie belegt).

Dank der Verstetigung können wir jetzt an das Konzept der Digitalen Museumspraxis anknüpfen, das wir bereits 2016-2018 im HMF erprobt haben und es mit allen gesammelten Erfahrungen der letzten (Corona-) Jahre weiterentwickeln. Digitale Museumspraxis beschäftigt sich mit der Nutzung von digitalen Medien in den Kernbereichen der Museumsarbeit – Sammeln, Vermitteln, Ausstellen, Bewahren und Forschen. Es ist eine Querschnittsaufgabe, die nur in Zusammenarbeit mit allen Mitarbeiter*innen bearbeitet werden kann. Wir machen das im Hub and Spoke Modell (das Kati Price und Dafydd James hier beschreiben). Bei uns gibt es keine gesonderte Abteilung für Digitales, da digitale Medien und Nutzungsweisen an vorhergehende Medien anknüpfen und integraler Bestandteil aller Arbeitsbereiche sind. Die Skizze unten zeigt einen Ausschnitt dieser Querverbindungen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Digitale Museumspraxis ist eine Querschnittsaufgabe. Auf der Zeichnung sind die Verbindungen der verschiedenen Arbeitsbereiche sichtbar vom Schreibtisch der Mitarbeiter*innen, zum Austauch mit Besucher*innen, bis zum CMS, das Daten auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht.
historisches museum frankfurt: Skizze zur Querschnittsaufgabe Digitale Museumspraxis. CC BY-SA 4.0 Franziska Mucha

Also, wie fängt man wieder an? Erstmal aufräumen. Nach fünf Jahren Laufzeit vieler Projekte (z.B. Stadtlabor Digital, Online Sammlung und Media-Guide  ), ist es Zeit für eine Bestandsaufnahme. Dabei stehen die Pflege, Aneignung, Weiternutzung, aber auch Frust und Nicht-Nutzung unserer digitalen Vermittlungswerkzeuge im Mittelpunkt. Wir evaluieren und befragen, sammeln Nutzungsstories und testen, um im nächsten Schritt aus verschiedenen Perspektiven zu entscheiden: Does it spark joy? Reparieren, Umnutzen oder Aussortieren?

Diese konkreten Maßnahmen sind ein Versuch, schöne Strategie-Worte in eine Praxis zu überführen. Dafür nutzen wir zwei pragmatische Mittel: die Definition von priorisierten Handlungsfeldern (was ist zu tun) und einen Kriterienkatalog (wie tun wir das).

So haben wir für 2022-2024 fünf Handlungsfelder ausgemacht:

  1. Den Arbeitsbereich digitale Museumspraxis wiederbeleben
  2. Die Konsolidierung der bestehenden digitalen Infrastruktur/Strategie
  3. Die Digitale Vermittlung nach innen und außen verankern
  4. Digitalisierung und Zugänglichmachen der Sammlung verstetigen
  5. Kooperationen zur Vernetzung/Weitentwicklung aufbauen

Für das „wie“ haben wir einen ausführlichen Kriterienkatalog festgelegt, der sechs einfachen Grundfragen folgt:

  • Wie open und FAIR sind unsere Outputs?
  • Wie binden wir die Nutzer*innen ein?
  • Wie nachhaltig arbeiten wir?
  • Wie vernetzt sind wir?
  • Wie lernen und dokumentieren wir?
  • Wie messen und reflektieren wir?
Sechs Orientierungsfelder für Digitale Projekte sind definiert und mit kleinen Zeichnungen symbolisiert: Open Access Policy, Nutzer*innen, Nachhaltig, Quer&Vernetzt, Know-How, Ziele und Refletion.
historisches museum frankfurt: Wie entwickeln wir eine Digitale Museumspraxis? Sechs Orientierungspunkte. CC BY-SA Franziska Mucha

Beide Mittel zielen auf den Kern der Digitalen Museumspraxis ab: ins Machen zu kommen. In Anlehnung an die nicht ganz neue Idee des „Commoning“ (die Massimo de Angelis hier beschreibt), braucht es nicht nur Ressourcen und Nutzer*innen, sondern auch eine gemeinsame Praxis der Pflege und Nutzung. Und genau darum geht es jetzt: eine reflektierte, routinierte und nachhaltige Praxis zu entwickeln, die sich der Pflege und Nutzung digitaler Ressourcen in einem Netzwerk verschiedener Akteur*innen widmet. Als neue/alte Kuratorin für Digitale Museumspraxis freue ich mich, diesen Prozess gemeinsam mit den Kolleg*innen im HMF und der digitalen Museumsbubble weiterzuführen und bin gespannt auf Austausch, Rückmeldungen und das Machen natürlich.

4 Kommentare zu “Digitale Museumspraxis 2022: erstmal Aufräumen.

  1. Liebe Franziska,

    wunderbar, dass deine tolle Arbeit im Museum jetzt fortgeführt werden kann. Und ich bin Fan von den Handlungsfeldern und Leitfragen, mit denen ihr eure Arbeit reflektieren wollt. Das fehlt so oft, die Struktur für einen Verstetigung der Erkenntnisse, die wir ja immer wieder diskutieren. Und dann geht’s oft nach Schema F weiter. Für das Reflektieren plant niemand Zeit einen. Umso toller, dass ihr da ein gutes Beispiel gebt.

    Grüße von Anke

    • Franziska Mucha

      Heihei liebe Anke,

      huch, irgendwie sind die Kommentare im Sommerloch abgetaucht, aber umso mehr freue ich mich sie jetzt zu lese. Und sie taugen auch super als motivierender Kick-Off für die gefühlte Nachferienzeit, in der es so richtig wieder los geht.
      Mal schauen, wie es weitergeht mit den Handlungsfeldern und Leitfragen – ich werde berichten 🙂

      Beste Grüße,
      Franziska

  2. Etta Grotrian

    Ja, das ist wirklich gut auf den Punkt gebracht! Sowohl die Erfordernisse, Rahmenbedingungen wie auch das tägliche Handeln, Sortieren und Verstetigen. Gut, dass ihr diese Stelle habt!

    • Franziska Mucha

      Merci liebe Etta!
      Genau, jetzt geht das Pingpong wieder los zwischen täglichem Handeln und längerfristigen Perspektiven.
      Beste Grüße,
      Franziska

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