Die umfangreiche Porzellansammlung des Historischen Museums, die im Kronberger Haus in Höchst untergebracht ist, glänzt nicht nur durch die große Bandbreite an Porzellanen, Fayencen und Steingut sowie einer abwechslungsreichen Motivik. Bei meinem letzten Besuch in Höchst war ich fasziniert, wie schön sich der stilistische Übergang von Rokoko zum Klassizismus im 18. Jahrhundert an einigen Werken der Sammlung ablesen lässt.
Die beiden großen Prunkvasen von Laurentius Russinger und Johann Peter Melchior veranschaulichen sehr überzeugend in ihrer unterschiedlichen Gestaltung und Dekoration den stilistischen und ästhetischen Wandel im Spiegel der geistigen Strömungen ihrer Zeit.
Während Russinger ein Meister des Rokoko war und sein Werk um 1765 schuf, verkörperte Melchior mit seiner zwischen 1775 bis 1779 entstandenen Vase die klassizistische Formsprache. Doch betrachten wir zunächst die Künstler und die beiden Objekte genauer.
Laurentius Russinger arbeitete für das Höchster Unternehmen von 1753 bis 1765 und entwarf Geschirr- und Figurenmodelle, die ganz den Geist des Rokoko entsprachen.
Für den Stil Russingers charakteristisch sind die leicht beschwingten Formen und die zum Teil von filigranem Gitterwerk durchbrochenen und mit plastischen Rocaillen, Voluten und C-Schwüngen besetzten Hohlsockel. Auf diesen stehen grazile Figuren, die den Betrachter in die Welt des 18. Jahrhunderts entführen. Kartuschen, Reliefs und asymmetrische Formen kommen in der gemalten und plastischen Dekoren immer wieder vor sowie Blumenranken und spielende Putten. Eine Höchster Spezialität ist die Ton-in-Ton-Malerei in Purpur-Camaieu.
Bei den farbig staffierten Porzellanen dominieren Blumendekore, aber auch Darstellungen von Vögeln, Insekten und Landschaften sind beliebt sowie figürliche Szenen. Viele seiner Porzellangruppen verkörpern galante und amouröse Geschichten, die der Modelleur den zeitgenössischen, meist französischen Theaterstücken entlehnte.
Diese Potpourri-Vase gehört zu den anspruchsvollsten Erzeugnissen, die Russinger geschaffen hat. Über dem profilierten Sockel mit Blätterfries erhebt sich eine bauchige Vase. Auf die Gefäßschultern folgt ein eingezogener Hals mit durchbrochenem Gitterwerk. Auf den nach außen gerollten seitlichen Rocailleauflagen sitzt jeweils ein Putto und hält eine Blumengirlande empor. Der hochgewölbte, mit Gitterwerk durchbrochene Deckel, ist mit einem Putto gekrönt, der seine Hände erhoben hat, um einen Korb voller Blüten zu entleeren. Die Purpur-Camaieu-Malerei von Friedrich Carl Wohlfahrt in den plastisch gerahmten Kartuschen der Mittelfelder zeigen mythologische Szenen.
Johann Peter Melchior war mit weitem Abstand der bedeutendste und kreativste Modelleur der Höchster Porzellan-Manufaktur. Während seiner vierzehnjährigen Tätigkeit in Höchst entwarf er rund 300 Modelle für Figuren, Vasengarnituren und zahlreiche Trink- und Speiseservice. Sein umfangreiches Oeuvre, das er von 1765 bis 1779 schuf, ist im Kronberger Haus mit zahlreichen bedeutenden Figurengruppen, Geschirr und Porträts vertreten. Unter seiner künstlerischen Leitung vollzog sich in der Höchster Porzellan-Manufaktur der stilistische Wandel vom Rokoko zum Klassizismus.
Die Aufsatzvase steht auf einem runden, profilierten, trichterförmigen Sockel, der mit einem Blattkranz und blau staffierten Perlband besetzt ist. Der schlanke, leicht ausladende Vasenkörper ist mit weißen Pfeifen und einem horizontalen golddurchwirkten Wulst verziert. Die glatten Flächen des Sockels sowie des Körpers haben einen blauen Fond. Auf dem blauen Grund des Mittelfeldes ist ein Figurenfries mit antikischen Gestalten modelliert. Zu sehen sind zwei Jünglinge, vier tanzende Nymphen und zwei Putten. Der eingewölbte Hals ist mit einem Eierstab, durchbrochenen Pfeifen und einem goldenen Blattkranz verziert. Der gewölbte Deckel ist von einem Granatapfelknauf bekrönt und mit einem Schuppenmuster bemalt.
Wie diese Beispiele eindrucksvoll zeigen, vollzog die alte Höchster Porzellan-Manufaktur während ihres 50jährigen Bestehens unter der künstlerischen Leitung von Johann Peter Melchior in ihren Formen und Dekoren den stilistischen Wandel von den heiter verspielten Rokokoformen zum strengen Formenrepertoire des Klassizismus.
Wer weitere spannende Details über das Porzellan-Museum und seine bewegte Geschichte lesen möchte, erfährt mehr im Blogbeitrag „Das weiße Gold von Höchst„.
0 Kommentare zu “Höchster Porzellan zwischen Rokoko und Klassizismus”