Ausstellen Neudenken + Entwerfen

„Ich denke (…), man lehrt den Garten nicht, sondern er belehrt uns.“

– so Gilles Clément 2015. In seiner Antrittsvorlesung am Collège de France setzte sich Gilles Clément (2011-2012) mit der Beziehung des Gärtners und der Landschaftsgestaltung auseinander. Er beschreibt, dass er das meiste Wissen aus der Beobachtung des Gartens hat, aus seinen Feldstudien und den Gesprächen mit den Menschen, „(…) die dort jedes Mal eine Beziehung zur Welt entwerfen, eine Kosmologie und einen Garten“.

Wie so viele, bin ich zurzeit im Homeoffice und habe nun Zeit, meinen eigenen kleinen Balkongarten zu beobachten. Vormittags Literatur, nachmittags Feldforschung im eigenen Terrain. Wie kann diese Feldforschung aussehen? Beobachtung und Betätigung. Das heißt die eigene gärtnerische Praxis beobachten, reflektieren aber vor allem die Pflanzen beobachten. Nebenan kann ich aber auch den Garten der Nachbar*innen beobachten, ein Mehrgenerationenhaus. Die älteste Bewohnerin im Haus, die jedes Jahr am sportlichsten gegärtnert hat, gärtnert hier nicht mehr. Sie musste altersbedingt umziehen, da die Familie das Haus nicht barrierefrei umbauen durfte aufgrund von Auflagen des Denkmalschutzes. Das erinnert mich an den Text von Stephanie Rosenthal (2019) zur Ausstellung Garten irdischer Freuden im Martin-Gropius-Bau Berlin. Sie schreibt, dass der Garten auch immer ein Spiegel unserer politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse ist. Am Beispiel des Nachbarsgartens wird der demografische Wandel der Gesellschaft sichtbar sowie eine wichtige politische Frage in der Wohnraumversorgung: Welche Wohnkonzepte braucht es für ein würdevolles Leben im Alter? Und welche Hindernisse gibt es bei der Umsetzung?

Blick auf einen Blumentopf, mit einer blauen Kornblume von oben
Historisches Museum Frankfurt, Kornblume im März 2020, Stadtlabor Gärtnern

Im eigenen Balkongarten beobachte ich zunächst Chaos. Seit den stürmischen letzten Wochen und dem milden Winter ist nicht viel passiert. Obwohl doch. Seit Februar habe ich beobachtet, dass Kornblumen wachsen. Das ist die Blumenmischung vom letzten Jahr und sie blühen eigentlich erst ab Ende Juni. Ich bin ehrlich gesagt, eine absolute Garten-Laiin. Das ist für den Stadtlabor-Ansatz eigentlich genau richtig. Denn nicht wir, die Kurator*innen haben das Expert*innenwissen über die Stadt, sondern alle da draußen die mit uns in Frankfurt wohnen und im Falle dieses Stadtlabors gärtnern. Wir könnten also theoretisch in Vorbereitung auf das kommende Stadtlabor schon mal digital unsere Erfahrungen und Expertisen austauschen. Hier im Blog. Wer Lust habt über die ersten Monate des Gärtnerns im Jahr 2020 zu berichten, kann sie mir gerne schicken und ich baue sie in den nächsten Blog-Artikel ein. Beginnen wir vielleicht mit einer Frage: An welchen Pflanzen bemerkt ihr, dass die Jahresdurchschnittstemperatur in den letzten Jahren in Frankfurt angestiegen ist? Was blüht früher, später oder gar nicht mehr? Und was bedeutet das für euch und die Stadt?

Schickt eure Reporte des Gärtnerns gerne an: katharina.boettger@stadt-frankfurt.de

 

Literatur:

Gilles Clément (2015): Gärten, Landschaft und das Genie der Natur. Berlin.

Stephanie Rosenthal (2019): Garten der irdischen Freuden. Berlin.

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