Hochhaus, Bauwagen oder Hausboot, vier Zimmer, zwei Zimmer, mit Haustier, Balkon, Dachterrasse – wie wohnen die Leute in Frankfurt?
Diese Frage stellt sich und seinen vielen jugendlichen Teilnehmer/innen das Junge Museum unterwegs, das seit Anfang Mai wieder durch die Frankfurter Stadtteile tourt. Wohnen, das ist für die meisten Kinder erst einmal etwas total Abstraktes. Welche/r 8-Jährige hat sich schließlich schon einmal damit auseinandergesetzt, wie viel Quadratmeter jedem/jeder zur Verfügung stehen, und was man alles so zum Wohnen braucht, damit man sich richtig wohl fühlt? Dabei ist Wohnen ein brandaktuelles und heiß diskutiertes Thema in der Frankfurter Stadtgesellschaft. Und auch Kinder betrifft es ganz unmittelbar in ihrem Alltag, wie sich schnell herausstellt.
Durchschnittlich hat jede/r Frankfurter/in 36,9 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Aber wie viel ist das denn genau? Und was müssen wir in den 36,9 Quadratmetern alles unterbringen, damit wir uns zuhause wohlfühlen? Die Kinder zeichnen mit Kreide einen Quadratmeter auf den Boden. Ganz schön klein, darin kann man vielleicht gut spielen, aber auch nicht viel mehr. Daneben wird ein weiterer Quadratmeter gezeichnet. „So groß ist mein Bett, da kann man sich ja hinlegen!“ Eine Markierung aus Flatterband wird zu Außenwänden, Kreidestriche auf dem Boden markieren Fenster und Türen, Waschbecken, Badewanne, Schränke und Möbel und so füllen sich die 36,9 Quadratmeter ganz schnell. So bekommen die Kinder langsam ein gutes Gefühl dafür, was der Platz, den wir bewohnen, eigentlich überhaupt bedeutet und dass es für unser Wohlfühlen sehr wichtig ist, wie wir diesen gestalten und nutzen!
Dabei beschäftigen sich die teilnehmenden Kinder – vielleicht zum ersten Mal bewusst reflektierend – mit ihrem eigenen Wohnen, ihren Wohnbedürfnissen und erkennen, dass jede/r von uns anders wohnt und dass gerade diese Individualität unseren Wohnalltag so vielfältig und schön macht. In Interviews und Fotoreportagen machen wir Ausflüge in die Nachbarschaft, lernen die Nachbarn kennen und befragen sie zur ihren Vorstellungen vom Wohnen. Die Kinder entwickeln eigene Fragen und touren als Reporter durch ihre Stadtteile, fangen viele verschiedene Perspektiven auf das Thema ein und dokumentieren so auch das soziale Zusammenleben im Stadtteil sowie dessen Eigenheiten. Zum Abschluss der Woche können die Teilnehmer/innen, nachdem sie sich mit dem eigenen Wohnen beschäftigt und das Wohnen der Anderen erforscht und analysiert haben, ihre Traum-Wohnräume planen und in architektonischen Modellen umsetzen.
Das Junge Museum unterwegs, das es schon seit 1999 gibt und seit 2010 in Kooperation mit dem Frankfurter Programm – Aktive Nachbarschaft durchgeführt wird, ist – auch für uns immer noch – ein ganz besonderes Projekt. Es besucht die teilnehmenden Kinder dort, wo sie wohnen und ihren Lebensmittelpunkt haben. Als dezentrales und offenes Angebot im öffentlichen Raum bietet es die Chance, Hemmnisse gegenüber der Institution Museum abzubauen und präsentiert das Museum als alternativen Bildungsort außerhalb der Schule. Es tut aber noch viel mehr! Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Einbezug des Stadtteils und damit des eigenen Lebensraums der Kinder und Jugendlichen. Die Teilnehmer/innen sind Expert/innen, sie können aktiv Inhalte mitgestalten und ihre subjektiven Perspektiven einbringen. Und die Kinder bringen viel Expertise mit! Sie berichten mit großer Begeisterung und Detailgenauigkeit von ihrem Leben, ihrer Wahrnehmung, dem Alltagsleben im Stadtteil. Sie sind die Vermittler/innen, wir die Lernenden, und wir lernen viel: über das Leben in Frankfurt, über die Stadt, über die vielen Perspektiven, die die Bewohner/innen mitbringen. Danke für eure Geschichten!
Junges Museum unterwegs in den Frankfurter Stadtteilen, kommende Termine:
- 18. – 22. Juni: Fechenheim-Süd
- 25. – 30. Juni: Gallus
- 16. – 21. Juli: Praunheim
- 23. – 29. Juli: Zeilsheim
- 30. Juli – 5. August: Rödelheim
- 6. – 10. August: Griesheim
- 13. – 18. August: Niederrad
- 20. – 24. August: Preungesheim
- 27. – 31. August: Nordweststadt
- 17. – 22. September: Sindlingen
- 24. -28. September: Gutleut
Informationen zu Standort und Uhrzeit auf der Homepage des Jungen Museums
Das klingt nach einem tollen Projekt! Ist das ein Ferienangebot oder läuft das während der Schulzeit? Werden Schulen und/oder Lehrer dabei einbezogen?
Danke für den wirklich spannenden und anregenden Beitrag. Genau solche Aktionen verankern Museumsarbeit im öffentlichen Bewusstsein. Wird es am Ende des Sommers auch einen zusammenfassenden Blogbeitrag über die Ergebnisse geben?
Vielen Dank für die lobenden Worte und das tolle Feedback! Das Angebot findet von Mai bis September relativ durchgehend am Nachmittag statt, also auch außerhalb der Schulferien. Wir kooperieren mit dem Frankfurter Programm Aktive Nachbarschaft des Jugend- und Sozialamts und arbeiten damit dezidiert nicht mit Schulen, sondern mit öffentlichen Trägern, die in den besuchten Viertel ganz aktiv tolle Stadtteilarbeit leisten und die Bewohner/innen durch Aufbau von Ehrenamtlichennetzwerken zum gemeinsamen Gestalten ihres Stadtteils anregen.
Wir sind ganz bewusst nicht an Schulen, sondern im öffentlichen Raum, weil wir eine andere Bildungserfahrung ohne Leistungsdruck ermöglichen wollen. Das ist – wie ich finde – ein sehr schöner Ansatz und wird von den Kindern dankend angenommen.
Ich melde mich gerne im Oktober, wenn die Tour dann vorbei ist, mit ein paar resümierenden Worten. :)
Herzliche Grüße,
Laura Hollingshaus