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„Kein Leben von der Stange“ – Stadtlabor-Ausstellung ab November 2019

Seit März 2019 arbeiten wir an der nächsten Stadtlabor-Ausstellung, die am 27. November eröffnet wird. In der Ausstellung mit dem Titel „Kein Leben von der Stange. Geschichten von Arbeit, Migration und Familie“ geht es darum, wie sich Arbeitsmigration auf Familien auswirkt. In den insgesamt elf Ausstellungsbeiträgen werden über 50 individuelle Migrationsgeschichten erzählt, die von den 1960er Jahren bis heute reichen.

Arbeitsmigration und Familie

Der Impuls für die Ausstellung kam von Teilnehmer*innen des Stadtlabor Sammlungs-Check: Migration partizipativ sammeln. Bei diesem Projekt hatten die Teilnehmer*innen, die sich selbst als Angehörige der zweiten Gastarbeiter*innen-Generation bezeichnen, deutlich formuliert, dass sie eine öffentliche Würdigung der Leistungen ihrer Eltern beim Aufbau der Bundesrepublik vermissen. Mindestens genauso wichtig war ihnen auch, dass die Auswirkungen der Anwerbeabkommen auf die Kinder der Gastarbeiter*innen ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden: Viele Kinder wurden bei Verwandten in den Heimatländern zurückgelassen, weil die Eltern für ein paar Jahre in Deutschland arbeiten wollten. Aus dem kurzen Zeitraum wurde oft ein ganzes Leben, manche Kinder wurden nachgeholt zu Eltern, die ihnen über die Jahre fremd geworden waren, andere wurden immer wieder hin und her geschickt. Gleich drei Beiträge der Ausstellung widmen sich den Gefühlen, die mit derartigen Trennungs- und Verlusterfahrungen einhergehen, zum Beispiel Olcay Acet, die den Kindern der „Generation 1,5“ eine künstlerische Videoinstallation gewidmet hat.

Arbeitsmigration spielt aber auch für die Gegenwart eine große Rolle. Gerade in der Altenpflege oder der Kinderbetreuung arbeiten viele Migrantinnen. Viele von ihnen verlassen ihre Kinder und Familien, um sich um die Angehörigen ihrer Auftraggeber*innen zu kümmern. Das künstlerische Forschungsprojekt „Bitter Things: Narrative und Erinnerungen transnationaler Familien“ der Gruppe bi’bak lässt Frauen in Pflege-Berufen zu Wort kommen, die auch davon berichten, wie sie versuchen, trotz der räumlichen Trennung ein Familienleben aufrechtzuerhalten.

Wer gehört eigentlich zu meiner Familie? Wo leben die Mitglieder meiner Familie? Und wie halten wir die Beziehungen aufrecht? Diese Fragen beantworteten Schüler*innen des türkischen herkunftssprachlichen Unterrichts an zwei Grundschulen und einer weiterführenden Schule, die ihre transnationalen Familienstrukturen als verschlungene Netzwerke darstellen.

Änderungsschneidereien

Für viele Migrant*innen ist die Selbständigkeit ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit, (besseren) Verdienstmöglichkeiten und größerer zeitlichen Flexibilität. In drei Filmporträts von Änderungsschneider*innen zeigen wir die Sonnen- und Schattenseiten der Selbständigkeit. Die meisten Änderungsschneidereien in Frankfurt werden von Menschen mit Migrationsbiografie betrieben. Wie viele Änderungsschneidereien es in Frankfurt gibt, lässt sich nicht genau ermitteln. Daher wird es in der Ausstellung eine große Stadtkarte geben, auf der Sie Ihre Änderungsschneiderei markieren können. Sammeln Sie Visitenkarten und pinnen Sie sie auf die Karte!

Die Ausstellung mitgestalten

Neben der Kartierung der Änderungsschneidereien gibt es weitere Möglichkeiten, sich an der Ausstellung zu beteiligen: Nähen Sie mit am „Gewand für Frankfurt“ oder schreiben Sie eine Koffergeschichte für den Beitrag von Sewastos Sampsounis. Er hat sich einen Koffer aus der Sammlung des Museums vorgenommen, zu dem wir keine Informationen haben, und lädt nun dazu ein, dem Koffer eine Geschichte zu geben. Die Geschichten werden in der Ausstellung und ggf. auch in einer Anthologie des Größenwahn-Verlags veröffentlicht. Mehr Informationen dazu gibt es auf der Seite des Verlags.

Migrationsgeschichte erinnern und weitergeben

Mit der Ausstellung geht es uns darum, die Erinnerungen von Migrantinnen und Migranten als Teil des kulturellen Gedächtnisses zu etablieren. Sie sind wichtige Zeitzeug*innen, deren Erinnerungen unerlässlich sind, um den Weg der Bundesrepublik zum Einwanderungsland umfassend zu dokumentieren. Um sich seiner eigenen Zeitzeugenschaft bewusst zu werden, richten wir in der Ausstellung ein „Geschichten-Café“ ein, in dem sich zwei bis drei Besucher*innen zusammensetzen und sich ihre Migrationsgeschichten erzählen können. Wir wünschen uns, dass viele Besucher*innen mit Migrationsefahrung dieses Angebot nutzen und mit ihren Kindern, Enkel*innen oder Freund*innen zu uns kommen und ihre Geschichte erzählen werden. Ein eigens entworfenes „Erzähl-Mal“-Heft kann als Hilfe dienen, das Gespräch in Gang zu setzen.

In der Ausstellung möchten wir nicht nur fertige Geschichten präsentieren, sondern auch dazu einladen, die eigenen Erinnerungen lebendig werden zu lassen und zu teilen, so dass sie Teil des deutschen kulturellen Gedächtnisses werden.

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