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Lustwandeln auf königlichen Spuren

Sommerzeit ist Reisezeit! Für die Vorbereitung der Ausstellung Frankfurter Gartenlust in 2021 versuche ich, am möglichst viele städtische Gärten kennenzulernen – auch außerhalb von Frankfurt. Einen der schönsten Parks, den ich in der letzten Zeit besucht habe, ist die Wilhelma in Stuttgart. „Was willst Du denn im Zoo?“ fragte mein irritiertes Umfeld. Aber eigentlich ist es genau anders herum: die Wilhelma war eine zunächst ein botanischer Garten bzw. eine private, gar königliche Anlage, bevor sie ab 1949 darüber hinaus zu einem zooologischen Garten wurde.

Blick auf ein großes Wasserbecken mit Seerosen, im Hintergrund ein altes gebäude und ein Baukran

König Wilhelm I von Württemberg hat zwischen 1834 und 1864 die Anlage installieren lassen – in unmittelbarer Nähe zum Schloss Rosenstein und dem riesigen englischen Landschaftspark, dem Rosensteinpark. Die Entdeckung einer Mineralwasserquelle 1829 nahm wohl der König als Anlass, ein „Badehaus im orientalischen Stil“ mit Orangerie und Gewächshäusern bauen zu lassen. Die Anlage dehnte sich immer weiter aus und bezog auch den nahegelegenen Hügel mit ein. 1846 wurde mit einer Hochzeit auch die Einweihung der Anlage gefeiert; gebaut wurde bis in die 1860er Jahre. Mit der Gestaltung war Karl Ludwig Wilhelm von Zanth (1796 – 1857) betraut, der sich auf seinen Reisen durch Frankfreich, Italien und Sizilien viel mit antiker Architektur beschäftigt hatte. Er baute bereits das Wilhelma-Theater in unmittelbarer Nähe. Für die Parkanlage und die Gewächshäuser reiste er auch nach England – das Mekka für Gartenplanungen, da hier u.a. schon früh in Gewächshäusern Dampfmaschinen für ein Heizsystem eingesetzt wurde, um das richtige Klima für tropischen Pflanzen zu schaffen. Auch ließ er sich von Zeichnungen und Daguerreotypen einer Expedition nach Istanbul inspirieren, dem damaligen Konstantinopel. Das Ergebnis ist nach Frank Scholze eine „Dekorationsarchitektur“, die antike und islamische Baustile miteinander verbindet, die westliche Architektur dominiert aber dabei (S. 27ff) – Zum Überblick noch eine Ansicht der symmetrisch angelegten Anlage um 1855 von Karl Ludwig Wilhelm von Zahnt aus Wikipedia.

Blick auf dieParkanlage mit Terrassen, Parkanlage und Belvedere
Bis heute ist der sogenannte „Maurische Garten“ zum Teil erhalten geblieben. Nicht alle Bauten sind noch vorhanden: der Festsaal wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört; heute steht an der sehr zentralen Stelle leider ein (etwas sehr hässliches) Betongebäude mit dem Aquarium. Nichtsdestotrotz lässt sich heute noch die Schönheit der Anlage erahnen – im Wandelgang, im Magnolienhain oder in den Gewächshäusern. Diese hießen, wie damals üblich „Wintergärten“.

König Wilhelm von Württemberg war wohl auch ein Pflanzenliebhaber; er ließ exotische Pflanzen sammeln und züchten. Doch erst nach seinem Tod konnte diese Begeisterung öffentlich werden und die Bevölkerung ab 1880 die Anlage und Vegetation anschauen. Richtig öffentlich als botanischer Garten wurde die Wilhelma erst nach dem Ersten Weltkrieg und dem Ende der Monarchie 1918.

Das Besondere ist, dass in Bezug auf die Vegetation die Vorlieben des Königs weitergepflegt werden und nicht so sehr das reine wissenschaftliche Interesse im Vordergrund steht. Es geht bis heute eher um „Schönheit, Blühfreude, Seltenheit und Eignung der Pflanzen (Köplin S. 38)“. Und bis heute kann das Publikum gewissermaßen Pflanzenfossilien aus dem 19. Jahrhundert bewundern: die Platanen, die Eiben, der Magnolienhain oder ein Gingko-Baum. Die Mammutbäume, gezogen aus Samen von 1864, bilden sogar einen eigenen Hain. In den nach Vorbild englischer Gewächshäuser gebauten Farnhäusern kann man  riesige Farne anschauen – wie wohl vor 150 Jahren schon.

Mein Fazit: die „maurische Anlage“ in der Wilhelma ist ein ganz erstaunlicher Ort, der man immer noch die Privatheit anmerkt und auch die Liebe zu ganz besonderen Pflanzen. Hatte ich früher als Kind nur Augen für die Tiere (See-Elefant Charly vor allem!), interessieren mich heute eigentlich nunmehr der Park und die Pflanzen…

Der Eintritt dafür ist allerdings etwas teuer – 20 Euro für Erwachsene! Dafür empfehle ich, einen ganzen Tag einzuplanen und auf einer Picknickdecke den Magnolienhain zu genießen.

Den Input zum Text lieferten mir das reichlich bebilderte Buch von Thomas Kölpin (Hg.) : Wilhelma. Gewächshäuser, Naturräume und Parkanlage. Stuttgart 2019  (leider ohne Literaturangaben); die Magisterarbeit von Frank Scholze, Karl Ludwig Wilhelm von Zanth und die Wilhelma. Eine kurze Einführung zum 200. Geburtstag des Architekten, Stuttgart, 1996 und der Artikel über die Masterarbeit von Maximilian Friedrich Grimm, Mehr Istanbul als Granada, in den Stuttgarter Nachrichten am 10.6. 2016

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