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„Schwierige Dinge“ – Ergebnispräsentation eines besonderen Stadtlabors

Text und Fotos von Caroline Schäfer

Nach vier Monaten intensiver Arbeit, die die Stadtlaborantinnen und Stadtlaboranten zu überraschenden und oft unerwarteten Erkenntnissen führte, konnten am Mittwochabend die Ergebnisse eines ganz besonderen Stadtlabors präsentiert werden. Eingebettet in eine Kuratorenführung von HMF-Kuratorin Angela Jannelli und Gottfried Kößler vom Fritz Bauer Institut präsentierten acht der insgesamt neun am Projekt beteiligten Stadtlaborant/innen die Recherche-Ergebnisse zu ihren „schwierigen Dingen“.

Das Stadtlabor als Format hat seit seinem Start 2010/11 vor allem durch die Besuche und Begegnungen des Museums in Frankfurts Stadtteilen Popularität erlangt. Am 16. Mai 2018 startete das Stadtlabor „schwierige Dinge“, für das erstmals die umgekehrte Kontaktaufnahme voraussetzend war. Im Rahmen der Ausstellung „Legalisierter Raub. Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1933 – 1945“, die nach 16 Jahren Wanderschaft in Hessen ihre Abschlussstation in Frankfurt hat, startete das Museum einen Aufruf an die Frankfurter/innen und fragte, wer Gegenstände mit NS-Vergangenheit, genauer gesagt, vermeintliches NS-Raubgut in seinem Haushalt habe. Im Rahmen des Stadtlabors sollte mit Hilfe von Archivaren und Historikerinnen die Vorgeschichte solcher „schwierigen Dinge“ und ihrer Vorbesitzer erforscht werden. Es ging also sozusagen um „Provenienzforschung für jedermann“.

Nie war der Diskurs um Provenienzforschung so aktuell wie heute. Mehr als 70 Jahre nach dem Ende des NS ist es an der Zeit, diese Untersuchungen nach der Herkunft von Dingen oder Immobilien auch in Bezug auf Alltagsdinge in Privatbesitz anzustellen und nicht auf kulturelle Institutionen oder Kunstsammlungen zu beschränken. In vielen Familien gibt es bis heute (Alltags-) Gegenstände aus der Zeit des Nationalsozialismus, deren Herkunft und Weg in den Familienbesitz unklar, schleierhaft oder unbekannt ist oder auch schlicht verschwiegen wird. Kuratorin Angela Jannelli hatte mit ihrem Küchenstuhl, einem Flohmarktfund, über Jahre hinweg selbst so ein „schwieriges Ding“ bei sich zu Hause, bis sie durch die Beschäftigung mit dem „legalisierten Raubs“ eine Aufschrift auf der Unterseite des Stuhls als Losnummer aus einer Auktion deuten konnte. Vielleicht eine Auktion von Gegenständen aus jüdischem Besitz?

Außer ihr nutzten acht weitere Stadtlaborant/innen die Gelegenheit, in regelmäßigen Treffen und mit Unterstützung von Mitarbeiter/innen des HMF, des Fritz Bauer Instituts sowie des Jüdischen Museums Frankfurt solche „schwierigen Dinge“ und damit unvermeidbar auch einen ungeklärten Teil ihrer Familiengeschichte zu untersuchen. Die Stadtlabor-Ausstellung umfasst insgesamt 14 Exponate, neun davon wurden im Rahmen des Stadtlabors genauer untersucht. Alle Objekte sind nüchtern in einer zurückhaltenden Regal-Installation präsentiert.

Der Prozess der Recherche und Dokumentation war geprägt von Erkenntnissen über die eigenen Verwandten, Erleichterung, überraschenden Wendungen, aber auch von Widersprüchen, die sich zwischen dem Archivmaterial und der Familienerzählung ergaben und zu neuen Fragen führten. Schnell wurde den Stadtlaborant/innen bewusst, dass auch Provenienzforschung im privaten Rahmen eine kaum absolut abschließbare Aufgabe darstellt und es nicht auf jede Frage eine Antwort geben kann. Dennoch konnten viele Fragen beantwortet werden. Die Recherchen führten die Stadtlaborant/innen in viele Archive. So wurde ganz „nebenbei“ auch ein Bewusstsein für die Bedeutung von Archiven sowie die Größe der deutschen Archivlandschaft geschaffen. Dies gelang in erster Linie durch die professionelle Unterstützung durch Ann-Kathrin Rahlwes, eine auf Familienrecherche spezialisierte Historikerin sowie Johannes Beermann, Archivar im Fritz Bauer Institut.

Die Ergebnisse nach 4 Monaten der Recherche wurden in kurzen Filmen festgehalten. Die Filme bestehen aus abstrakt gezeichneten Animationen, die die Erzählung der Stadtlaborant/innen illustrieren. In den Erzählungen berichten die Stadtlaborant/innen von ihren „schwierigen Dingen“, ihrem Rechercheweg und den Erkenntnissen, aber auch davon, wie es ihnen beim Erforschen der Vergangenheit naher Angehöriger ergangen ist. Vielmals entpuppte sich der ursprünglich im Zentrum stehende Gegenstand als Ausgangspunkt für die Erforschung von weit tiefergehenden Fragen. In Einem waren sich bei der Präsentation der Ergebnisse aber alle Teilnehmer/innen einig: das Format bot vielen eine konkrete und unterschwellig lang erwartete Gelegenheit, sich mit professioneller Begleitung der Auseinandersetzung mit einem verdächtigen Gegenstand zu widmen. Viele der ins Stadtlabor eingebrachten „schwierigen Dinge“ waren seit Jahrzehnten mit Fragen und Gerüchten behaftet. Für viele bot das Stadtlabor einen willkommenen Anlass, sich endlich diesen Fragen zu stellen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den anderen Stadtlaborant/innen, die mit ähnlichen Fragen, Ängsten und Zweifeln behaftet waren, bestärkte viele, den oft mühsamen Recherche-Weg weiterzugehen, aber auch im Umgang mit den teils unerwarteten Ergebnissen.

Das Stadtlabor Schwierige Dinge ist noch bis zum 14. Oktober 2018 auf der Ausstellungsfläche Frankfurt Jetzt! zu sehen. Das Stadtlabor ist Teil der Sonderausstellung Geerbt. Gekauft. Geraubt?. Die Ausstellungsmacher erhoffen sich, dass die im Stadtlabor ausgestellten „schwierigen Dinge“ viele Besucher/innen dazu bringen, sich ebenfalls mit der Provenienz ihrer geerbten oder gekauften Alltagsgegenstände auseinanderzusetzen oder sich mit einem verdächtigen Gegenstand in der eigenen Familie näher zu beschäftigen.

 

 

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