Erneut wird eine Frankfurterin auf der Seite der Frankfurter Frauenzimmer gewürdigt: Martha Wertheimer (Frankfurt 1890 – 1942 auf dem Transport in das Vernichtungslager Sobibor)
Sie war eine jüdische Journalistin, Schriftstellerin, Pädagogin und Kämpferin gegen den NS. Als vierte Frau schloss sie 1919 an der Frankfurter Universität ihr Studium mit einer staatstheoretischen Dissertation ab. Zugleich setzte sie sich beharrlich für die Gleichberechtigung ein und trat ab 1918 bei Wahlveranstaltungen der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) als Rednerin zum Frauenwahlrecht auf. Zwischen 1935 und 1938 arbeitete sie in Berlin als Chefin des Feuilletonressorts des Israelitischen Familienblattes, der auflagenstärksten jüdischen Zeitung in den 1930er Jahren. Daneben besuchte sie als „Gast-Madricha“ die Hachsharah-Einrichtungen im Raum Brandenburg, wo junge jüdische Menschen auf das Pionierleben in Palästina vorbereitet wurden. Sie gab dort Hebräisch- und Palästinakunde, man nannte sie „Ojweh- MaWe“ und war „immer so laut“.
Nach dem Novemberpogrom 1938 zog sie zurück nach Frankfurt, wo sie wieder mit ihrer Schwester Lydia Wertheimer zusammenlebte. Zuweilen konnte sie noch im „Jüdischen Nachrichtenblatt“ Artikel veröffentlichen. Von 1939 bis 1941 arbeitete Martha Wertheimer in der Jugendfürsorge der Jüdischen Gemeinde und organisierte die Kindertransporte aus Südwestdeutschland ins Exil. Eigene Ausreisebemühungen der beiden Schwestern scheiterten.
Am 10. und 11. Juni vor 80 Jahren veranlassten die Nazis den dritten großen Deportationszug des Frühjahrs 1942. Mehr als 1000 Frankfurterinnen und Frankfurter wurden in die polnische Stadt Izbica transportiert und gingen dort als Zwangsarbeiter zugrunde oder starben in den Gaskammern in Sobibor oder Majdanek. Martha Wertheimer hat ihre eigene Deportation nicht überlebt. Was noch tragischer war: Sie musste diese auch noch selbst organisieren.
Der Ortsbeirat Frankfurt-Süd wird den zentralen Platz gegenüber dem alten Straßenbahndepot Sachsenhausen nach Martha Wertheimer benennen. Die Zeremonie ist für Donnerstag, 30. Juni um 18 Uhr geplant. Die Würdigung der aufrechten Kämpferin gegen den NS-Terror erfolgt u.a. durch Marc Grünbaum (Jüdische Gemeinde) und durch die Kulturdezernentin Ina Hartwig.
Einen Hinweis von der Redaktion: Die Frankfurter Historikerin Hanna Eckardt, die sich intensiv mit der Geschichte von Martha Wertheimer beschäftigt hat, hat auch den Eintrag ins Frankfurter Personenlexikon verfasst. Die Frankfurter Rundschau kündigt die Zeremonie am 30.6.2022 an. Und wir empfehlen natürlich wärmstens, sich in den drei Ausstellungen zu Frankfurt und der NS im Historischen und im Jungen Museum mit der Zeit auseinanderzusetzen.
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