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Tristesse!

„Tristesse!“ Das war das Gefühl, das Elikia M’Bokolo überkam, als er sich am 3. Dezember mit 40 weiteren Besuchern die zehn Porträts der kriegsgefangenen Soldaten in unserer derzeitigen Ausstellung Gefangene Bilder ansah. Prof. Dr. M‘Bokolo, geboren im DR Kongo, unterrichtet an der renommierten Pariser Hochschule  École des hautes études en sciences sociales. Außerdem ist er Produzent der Radiosendung „Mémoire d’un continent“, die sich mit der Geschichte des afrikanischen Kontinents beschäftigt.

Den Ausstellungsbesuch und die Diskussion organisierten wir gemeinsam mit dem Institut français d’histoire en Allemagne (IFHA). Der Leiter, Prof. Pierre Monnet, moderierte und übersetzte.

Die Inszenierung der Ausstellung hat Elikia M‘Bokolo besonders beeindruckt: einmal die Visualisierung des Eingeschlossenseins in der Rotunde, der Trennung vom Heimat und Familie, zum anderen die Konzentration auf die Fotografien. Das Konzept, wie er es ausdrückt, den „pädagogischen Anhang“ von den Fotografien radikal zu trennen, sei aufgegangen: emotionale Last und wissenschaftliche Zurückhaltung. Niemals hatte er solche Bilder gesehen.

Problematisch sei für ihn dennoch das Ungleichgewicht von Betrachter und Betrachteten und das Risiko, dass die Besucher eine ethnographische Interpretation der Bilder reproduzieren – vielleicht hätte man den vergrößerten Foto-Ausschnitt mit der Pupille des Gefangenen, in der sich der Fotograf spiegelt, in einer Art eigener kleiner Rotunde zeigen sollen? Das könnte ein Tribut an die postkoloniale Perspektive sein.

M’Bokolo hat selbst gerade eine Ausstellung über Kolonialfotografie in Brüssel kuratiert: Notre Congo/Onze Kongo. La propagande coloniale belge dévoilée  in Brüssel. Hier sei das Problem gewesen, dass die Besucher die Propaganda-Fotos ohne große Reflexion angesehen hätten – und das Medium Fotografie habe es ihnen leicht gemacht zu denken: „Aber so ist es doch gewesen…!“

Auch in afrikanischen Staaten mangelt es an Interesse an der Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte, denn hier müsste man eine übernationale und globale Perspektive einnehmen, statt eine nationalstaatliche Teleologie zu präsentieren – für die Kolonialsoldaten, die Gefangenen unserer Ausstellung, gelte das ebenso. Der Erste Weltkrieg, nimmt M’Bokolo an, habe eine Art „kranke“ Globalisierung hervorgebracht. Die Gewalterfahrungen des von Europäern geführten Krieges seien nach Afrika exportiert worden. Das Militär in den afrikanischen Staaten will keine zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema – weil sie mit der Frage nach Gewalt in Afrika heute zu tun hat.

Die Gefangenen Bilder könnten allerdings den französischen Blick verändern, meint M’Bokolo, weg von den üblichen Mustern, sei es die Heroisierung der Soldaten, die Auseinandersetzung über die lange verweigerten Pensionszahlungen oder die Probleme der Dekolonisierung. In der Tat hat „Le Monde“ bereits über die Ausstellung berichtet und es kam sogar schon eine Anfrage aus Paris, die Ausstellung auch dort zu zeigen.

historisches museum frankfurt: Die Soldaten aus Slg-Stei-Anh

 

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