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Von Postkutschen und Lastenrädern

Kennen Sie das: Sie beschäftigen sich mit einem Thema und stellen dann fest, dass sich eigentlich alle gerade damit zu beschäftigen scheinen. So geht es mir mit dem Thema Mobilität.

Die Stadt Frankfurt etwa arbeitet gerade am Masterplan Mobilität, an dem sich auch die Stadtgesellschaft beteiligen konnten und können. In der Stadt werden stetig Veränderungen sichtbar, die den Radverkehr und die Personen, die zu Fuß gehen, mehr unterstützen und Flächen gerechter verteilen möchten; das ist auch ein Ergebnis des Radentscheids, für den sich 2018 viele Bürger*innen zusammengetan haben. Die Akzeptanz solcher Maßnahmen werden auch direkt vor Ort untersucht; die Arbeitsgruppe Mobilitätsforschung der Humangeographie etwa an der Goethe-Unversität veröffentlicht Forschungsergebnisse von Studien.

Auch auf hessischer Ebene steht die Verkehrswende im Focus der Politik; die Mobilitätsplanung möchte ein Konzept erstellen für kommunale Mobilitätsplanungen… – Das sind nur einige wenige Beispiele, die zeigen, dass es sich um ein breit diskutiertes Thema handelt, das viele Menschen aus verschiedenen Perspektiven nicht nur in Frankfurt beschäftigt. Gerade aber im engen Stadtraum werden auch die Grenzen von Mobilität – verstanden als Potential der Beweglichkeit – deutlich sichtbar.

Mobilität und Verkehr sind im übrigen nicht dasselbe; Verkehr kann als „realisierte Bewegung auf Grundlage von Infrastrukturen im physischen Raum“ (Deffner et al. 2017: 6) beschrieben werden.

Eignet sich solch ein komplexes Thema eigentlich auch für eine Ausstellung? Einzelne Verkehrsmittel standen schon wiederholt im Mittelpunkt, wie etwa das Fahrad, dem das Museum der Arbeit in Hamburg 2015 eine Ausstellung widmete. 2018 setzte sich das Deutsche Architekturmuseum in der Ausstellung Fahr Rad damit auseinander, wie das Radfahren weltweit die Stadtentwicklung prägte.

Für die Neukonzeption des Museums hatte ich mich schon intensiv mit Infrastruktur und der Verkehrsdrehscheibe Frankfurt beschäftigt, etwa mit dem Schneekugel-Modell Frankfurt als Drehscheibe, das der holländische Künstler Edwin Zwakman entwickelte.

Bei den Planungen für die Dauerausstellung Frankfurt Einst? hat es mich fasziniert, wie früh die Stadt in Hinblick auf den Ausbau der Infrastruktur Position bezogen hat und stark förderte. Spannend ist auch, wie sich der öffentliche Nahverkehr entwickelte, also wie etwa der Pferdeomnibus oder die elektrische Bahn in die Stadt kamen. Und sehr interessant ist die Rolle der Post, die am Anfang von vielen Veränderungen steht: Sie brachte seit Ende des 15. Jahrhunderts so viele Umwälzungen mit, die Erfahrung von Zeit und Raum wurde ganz neu definiert. Die Logistik der Post inspirierte noch Jahrhunderte später die Organisation der Eisenbahn. Die Post mit dem Aufhänger Postkutsche war übrigens auch schon in der Alten Oper im Salon Frankfurt zu Gast. Der Abend lässt sich digital noch nachzuvollziehen.

Es handelt sich also bei der Mobilität um ein sehr facettenreiches Thema, das auch sehr emotional betrachtet wird, weil es stets um individuelle Gewohnheiten geht. Die eigenen Routinen mal zu ändern, ist sehr lehrreich: Wie bewege ich mich selbst durch die Stadt, wann nutze ich welches Verkehrsmittel und was passiert, wenn ich mal auf anderen Wegen unterwegs bin und die Perspektive wechsle?

Wie wir heute die Stadt nutzen und wahrnehmen, ist lange zuvor gedacht, geplant und umgesetzt worden. Das birgt Konflikte, denn wie können dann die Anforderungen und Bedürfnisse der Gegenwart eingebracht und umgesetzt werden? Faktoren wie der starke Bevölkerungswachstum, die Forderungen nach einer gerechteren Aufteilung der Flächen und Klimawandel spielen eine zunehmend größere Rolle in Frankfurt und anderswo. Die zentrale Herausforderung der Gegenwart ist: Wie können im engen urbanen Raum mit den beschränkten Flächen gegenwärtige Bedürfnisse berücksichtigt werden und neue Konzepte der Stadtentwicklung für die Zukunft entstehen? Wie kann die Aufenthaltsqualität verbessert werden?

In diesem Zusammenhang gefallen mir die Ideen von Jan Gehl gut: Der dänische Architekt und Stadtplaner fordert eine lebendige, nachhaltige, sichere und gesunde Stadt, um eine höhere Lebensqualität in Städten zu schaffen. Kopenhagen gilt als ein Leuchtturm seiner Projekte. Werden solche Ansätze auch in Frankfurt und in der RheinMain-Region rezipiert und diskutiert? Und vielleicht sogar von der Stadtplanung umgesetzt? Ich bleibe dran….

 

Literaturtipps:

Jutta Deffner, Konrad Götz, Gisela Stete, Tilman Bracher, Melina Stein, Simon Bülow: Nachhaltige Mobilität gestalten. FES 2017.
Katja Diehl: Autokorrektur.Mobilität für eine lebenswerte Welt. Frankfurt 2022
Jan Gehl: Städte für Menschen. Berlin 2021 (2010)
Hans Bernhard Reichow: Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos. Ravensburg 1959
Hartmut Rosa: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Frankfurt 2016
Paul Virilio: Rasender Stillstand. München/Wien 1992

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