Weil bekanntlich aller guten Dinge drei sind, möchte ich abschließend meine Recherche zu dem ersten Objekt des Historischen Museums zusammenfassen:
Es ist das Jahr 1873/74. Herr Johann Georg Kugler, seines Zeichens Maurer und Bauunternehmer, bekommt einen recht großen Auftrag: die Synagoge an der Schützenstraße der Israelitischen Religionsgemeinschaft ist zu klein und muss erweitert werden. Die Israelitische Religionsgemeinschaft bildete sich aus den orthodox gesinnten Gemeindemitgliedern der Israelitischen Gemeinde, die die Reformideen des liberalen Judentums, die seit den 1840er Jahren aufkamen, nicht mittragen wollten. Deshalb spalteten sie sich 1851 ab und bildeten die Israelitische Religionsgemeinschaft. Ein Bauplatz wurde 1852 gekauft, die neue Synagoge am 29.09.1853 eingeweiht. Die Gemeinde wuchs jedoch schnell und musste bereits 1870 vergrößert werden, vorgenommen wurde der Umbau jedoch erst in den Jahren 1873/74.
Während der längsseitigen Erweiterung der Synagoge werden bei Fundament-Arbeiten von einem Arbeiter – oder vielleicht von Kugler selbst? – im Boden vier defekte Steinzeugkrüge gefunden. Johann Georg Kugler hält also unter anderem unseren Siegburger Drillingsbecher in der Hand. Doch was nun? Ob er wusste, was er da in der Hand hielt oder wie alt es zum Fundzeitpunkt war, nämlich stolze 270 Jahre oder mehr? Was ihm durch den Kopf ging, das werden wir nie erfahren, ob er zum Beispiel daran dachte, den Bauherren über den Fund zu informieren. Denn dass es nicht nur wertloses Bruchzeug ist, das muss dem Bauunternehmer bewusst gewesen sein, sonst wäre er wohl nicht auf die Idee gekommen die Fundstücke dem Historischen Museum am 25.10.1876 zu spenden. Doch was hätte er tun müssen, was wäre rechtens gewesen? Da heißt es nun, Fachliteratur und die Verfassung des Deutschen Kaiserreichs zu konsultieren.
Generell gibt es zwei konkurrierende Möglichkeiten bei der Handhabung eines Schatzfundes, die auch noch bis heute gültig sind: die Hadrianische Teilung und das Schatzregal. Die Hadrianische Teilung geht rechtsgeschichtlich auf, wie der Name schon sagt, den römischen Kaiser Hadrian zurück und meint die Teilung des Fundes zu gleichen Teilen zwischen dem Finder und dem Besitzer des Grundes, auf dem der Schatz gefunden wurde und hat seine Entsprechung im §984 des BGB. Das Schatzregal wird auf eine Norm des Sachsenspiegels (1221-1224) zurückgeführt und spricht dem Bundesland – früher dem jeweiligen König – automatisch das Eigentum am Schatz zu, was heutzutage vor allem in Denkmalschutzgesetzen der Länder verankert ist. Zur Zeit Kuglers, im 19. Jahrhundert also, sahen die zivilrechtlichen Kodifikationen, mit wenigen Außnahmen in Schleswig und Schwarzburg-Rudolstadt, die Hadrianische Teilung vor, also auch in Frankfurt. Kugler hätte also der Israelitischen Religionsgemeinschaft den Fund melden und ihn mit ihr teilen müssen. Vielleicht hat er dies auch getan und ihm wurden die zerbrochenen Krüge überlassen. Vielleicht aber auch nicht. Das werden wir wohl nie erfahren.
Und so verblieb der Drillingsbecher vorerst bei Johann Georg Kugler, um 1876 in das Historische Museum überzusiedeln. Auch wenn der Siegburger Drillingsbecher noch so seltsam anmuten mag auf den ersten Blick, ist er doch nicht der einzige Drillingsbecher in seiner neuen Heimat dem Keramikraum unseres Depots. In vielen Manufakturen wurden Drillingsbecher hergestellt, man findet sie zum Beispiel auch als Fayencen. Drillingsbecher gehören zu den Scherzgefäßen, deren Zweck die Auflockerung der Tischrunde war. Manche Scherzgefäße erschwerten das Ausgießen oder Austrinken von Flüssigkeiten und konnten Flecken auf Kleidung und Tischwäsche sowie das Gelächter der Tischgesellschaft zur Folge haben. Man kann einen Drillingsbecher zwar auch für die Aufbewahrung von Salbölen verwenden, aber überwiegend waren Drillingsbecher an einer gedeckten Tafel zu Hause. So auch unser Siegburger Drillingsbecher, wie eine zweite Beschauung des Bechers zu Tage förderte: nicht nur hat er ein System von kommunizierenden Gängen zwischen den einzelnen Becherteilen, seine Form ist auch eindeutig die eines Trinkgefäßes. Würde man übrigens heutzutage einen Schatz finden, würde einem dieser vermutlich abgenommen, denn trotz der Verankerung der Hadrianischen Teilung im BGB haben die Bundesländer die Möglichkeit, von einer Art Schatzregal Gebrauch zu machen, damit besonders geschichtlich und archäologische wertvolle Stücke wissenschaftlich untersucht werden können. – Um dann ihre Geschichte einmal in einem Museum allen Menschen erzählen zu können.
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