Wie kommen eigentlich Objekte in unser Museum? Diese ganz besondere Postkarte zum Radfahr-Verbot in Frankfurt ist ein Flohmarktfund, den uns die Besitzerin freundlicherweise überlassen hat. Herzlichen Dank!

Die Postkarte erzählt den glücklichen Ausgang eines jahrelangen Streits um ein Thema, das bis heute Kontroversen auslöst: Fahrradfahren in Frankfurt.
Im Jahr 1895 war das moderne Fahrrad in Frankfurt keine Neuheit mehr. Heinrich Kleyer stellte sie in seinen Adlerwerken in Masse her und (vor allem bürgerliche) Frankfurter*innen radelten durch die Straßen.
Doch anscheinend ordnete sich das Verkehrsmittel nicht problemlos in den Frankfurter Alltag ein. So beschwerte sich der damalige Polizeipräsident beim Magistrat:
„[…] daß die zahlreichen meinerseits den hiesigen Velocipede-Clubs gewordenen Ermahnungen zur Einhaltung der Straßenpolizei-Ordnung und zur Vermeidung der Belästigung des Publikums, wie sie insbesondere durch Befahren der Fußwege und durch rücksichtloses Verhalten gegen begegnende Reiter überaus häufig geübt wird, fruchtlos geblieben sind […]“ (Brief des Polizei-Präsenten an den Magistrat, 23.2.1885, ISG A.02.01, R-1618-2)
Am 6. März 1895 folgte für alle Frankfurter Radfans die große Ernüchterung. Das Amtsblatt verkündete die Anordnung des Polizeipräsidenten:
„[…] das Fahren mit zweirädrigen Velocipedes ist in den Straßen und auf den Plätzen der inneren Theile der Stadt Frankfurt a.M. sowie auf allen Brücken allgemein verboten.“ (Anzeigeblatt der Städtischen Behörden zu Frankfurt a.M., 1885, ISG A.02.01, R-1618-2)
Einige Monate später wurde dieses Verbot zumindest teilweise wieder eingeschränkt, nun war die Nutzung eines „Velocipeds“ zumindest vor 10 Uhr morgens wieder möglich. Um die im Straßenverkehr noch allgegenwärtigen Pferde nicht zu erschrecken, waren die Radfahrenden angewiesen, langsam an ihnen vorbeizufahren. Außerdem mussten sie eine „Radfahrkarte“ vorweisen, auf der das Fahrrad samt Nummernschild verzeichnet war. Anders als beim modernen Auto-Führerschein war jedoch keine Radfahr-Prüfung notwendig, man musste lediglich 2 Mark und 50 Pfennig bezahlen.

Auch vor fast 130 Jahren musste das Fahrrad vorschriftsmäßig mit einer Klingel und einer Laterne ausgestattet sein, von Helmen war jedoch noch keine Rede; dies wäre wohl bei der damaligen Hutmode auch nur schwer durchsetzbar gewesen.
Die Erlaubnis, bei Anbringung einer „Lefèbre’schen automatischen Sicherheitsbremse“ wieder uneingeschränkt in Frankfurt Fahrrad fahren zu können, entkräftete das Verbot nur scheinbar . Die Bremse beschränkte die Geschwindigkeit auf nur 12 Stundenkilometer und klingelte, sobald der Fahrende zu sehr raste.
Diese Einschränkungen sorgten für einigen Unmut in der Frankfurter Bevölkerung. Kurz nach dem Radfahr-Verbot reichte man bereits eine Petition ein, in der man die harten Regelungen kritisierte. Deutlich wird darin auch, wie stark die Bedeutung des Fahrrades innerhalb kurzer Zeit angewachsen war:
„Das Zweiradfahren ist seit dem Jahre 1885 aus einem damals bestehenden, ziemlich unbedeutenden Sport zu einer wesentlich Nutzen bringenden für Handel und Gewerbe unentbehrlichen Beförderungsart herangewachsen […]“ (Petition der von den Frankfurter Radfahrern gewählten Achtzehner-Comission an die Stadtverordneten-Versammlung, 2.8.1895, ISG A.02.01, R-1618-2)
Der Sturm der Entrüstung lokaler Radler*innen hatte wenige Jahre später durchschlagenden Erfolg: Die Radfahrverbote wurden 1899 aufgehoben und die Frankfurter Radfahrer*innen hatten wieder freie Fahrt durch die Mainmetropole. Ein Radsportfan nutze die dazu veröffentlichte Postkarte wohl für einen kleinen Seitenhieb. „Zur Verehrung des hochverehrten Herrn Polizei Präsidenten […]“ notierte er handschriftlich neben die Karikatur.
Die Geschichtswerkstatt Gallus veröffentlichte ebenfalls einen Artikel frühen Geschichte des Fahrrades in Frankfurt und zum Radfahrverbot: Hanne Emrich/Helga Roos: Das Fahrrad kommt ins Gallus, Die Geschichtswerkstatt Gallus berichtet Nr. 67, 2018.
0 Kommentare zu “Vor 130 Jahren: Radfahrverbot in Frankfurt”