von Anna Glombitza, Praktikantin für „Kleidung in Bewegung“
Das Sammeln und Bewahren bildet zusammen mit den drei Aufgaben Forschen, Ausstellen und Vermitteln nach der internationalen Museumsorganisation ICOM die fünf Grundpfeiler der Museumsarbeit. Das klingt einleuchtend. Doch wie kann man sich dies in der Museumspraxis vorstellen? Ein Museum oder Ausstellungshaus hat die Aufgabe Objekte auszustellen, also sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Kurator*innen setzen die Objekte in einen neuen Kontext und bringen sie „zum Sprechen“. Das Museum soll die Objekte erforschen und überlegen, was es aussagen könnte und wofür es stehen könnte. Doch für dies alles braucht es zuerst einmal besagte Objekte. Wo kommen diese her? Und wie bleiben sie dem Museum und der Nachwelt erhalten?
Dies alles lässt sich am besten an einem besonderen Tag im Museum und Depot zeigen: Der Abbau einer Ausstellung. In diesem Fall der Ausstellung zu der Frankfurter Ikone der Haute Couture, Toni Schiesser.
Toni Schiesser war einer der berühmtesten Frankfurter Modeschneiderinnen. Schon 1931 eröffnete sie ein kleines Schneideratelier im Stadtviertel Frankfurt-Gallus. Nach dem Krieg zog sie in die Innenstadt und ihr Betrieb wurde zu einem der gefragtesten Unternehmen der Haute Couture. Sie stattete die Berühmten und Reichen aus und schon bald galten ihre Modeschauen als ein gefeiertes, soziales Event. Nach dem Tod Toni Schiessers führte ihre Nachfolgerin Ingrid Wrobel die Firma weiter, bis diese 1998 schließlich aufgelöst wurde.
Im 13. Sammlerraum des Saalhofs, den das HMF nutzt, um im Rahmen von verschiedenen Studioausstellungen Frankfurter Sammler*innen vorzustellen, waren neun ausgewählte Modelle vom 8. November 2018 bis 15. September 2019 zu sehen. Der Name des Ausstellungsraumes weist auch schon auf die erste Aufgabe des Museums hin: Das Sammeln. Das Sammeln bildet die Grundlage des Museums. Jedes Museum legt daher für sich selbst ein Sammlungskonzept fest. In diesem stehen die Ziele und Zwecke der Sammlung, die Art von Objekten, welche für das Museum relevant sind und Regeln für den Umgang mit diesen.
Es gibt verschiedene Wege, wie Objekte ins Museum kommen. Schenkungen und Überlassungen sind mit am üblichsten. So auch die Designerkleider: 2014 überließ Ingrid Wrobel dem Museum Teile des Firmennachlasses und ein Jahr später übergab Anny Henninger, die Tochter von Toni Schiesser, dem Museum ein weiteres Kleidungskonvolut. Die Kleider entsprachen dem Konzept des Museums – sie bilden einen Teil der Frankfurter Stadtgeschichte – und wurden deshalb in die Sammlung aufgenommen.
Im Zuge des Abbaus der Toni Schiesser Ausstellung können wir einen Blick auf die Bewahrung von textilen Objekten werfen. Die auf Figurinen präsentierten Kleidungsstücke können, so schön sie auch anzusehen sind, nicht einfach in dem Depot abgestellt werden. Sie müssen fachgerecht gesäubert, begutachtet, verpackt und beschriftet werden.
Zuerst wurden die Ausstellungsstücke von der Textilrestauratorin Laurence Becker aus Köln und ihrer Kollegin vorsichtig auf Rollwägen durch die Ausstellung, in den Aufzug, runter ins Depot gefahren. Dort angekommen wurden die Kleider auf Schmutz und Schäden untersucht. Da die Kleider nicht in Vitrinen ausgestellt wurden, hatte sich eine leichte Staubschicht auf dem Stoff gesammelt. Mit speziellen Staubsaugern und Pinseln wurde dieser vorsichtig „abgepinselt“.
Hängen Textilien auf Kleiderbügeln oder liegen auf Figurinen, müssen sie ihr eigenes Gewicht tragen, was eine Belastung für den Stoff darstellt. Um dem vorzubeugen, sollten Textilien im Idealfall liegend gelagert werden. Also runter von den Figurinen! Textilien gehören zu den empfindlichsten Objekten, die man im Museum finden kann. Licht kann die Pigmente verändern und die Farbe ausbleichen lassen. Gase wie Schwefeldioxid können von Textilien absorbiert werden und diese langsam zersetzen. Auch Schmutz und Staub dienen dem Zerfallsprozess. Hinzu kommen allgemein bekannte Schädlinge wie Motten oder Pilze. Am besten lagert man die Stücke daher in säurefreien Kartons, wo sie vor Staub, Licht und anderen Einflüssen geschützt sind.
Die Kartons wurden mit säurefreiem Seidenpapier wurden ausgelegt, die dreidimensionalen Textilien innen ausgepolstert und die Falten, falls sie nicht vermieden werden konnten, gestützt. Auf diese Weise wird der Stoff an den Falten nicht rissig und die Kleider fallen nicht in sich zusammen und behalten etwas von ihrer ursprünglichen Form.
Da das HMF wie die wenigsten Museen über genug Depotfläche und Lagerungsmöglichkeiten verfügen, um jedes Kleid in eine einzelne Kiste zu packen, müssen sich drei bis vier Kleider den Platz im Karton teilen. Auch hier wurden die Stoffe wieder durch eine Lage Seidenpapier voneinander getrennt.
Zur Sicherheit wurde jede Kiste am Schluss in Luftpolsterfolie gepackt, damit die Kleider auch beim Transport nicht beschädigt würden. Nicht zu vergessen ist natürlich das Kennzeichnen der Objekte im Inneren, damit man diese auch in Zukunft wieder finden kann. So bringt man außen, gut lesbar die Inventarnummer und bei Gelegenheit, noch eine kurze Beschreibung und ein Foto des Objektes an.
Und was passierte mit den Figurinen?
Die benutzten Figurinen wurden nicht in Einheitsgröße hergestellt, sondern individuell auf jedes Kleid zugeschnitten, also extra angefertigt oder umgeändert. Sie sollten jedem Designerstück perfekt passen, ihm Halt geben und die gewollte Form, besonders um die Ärmel, unterstützen. Um die Figurinen auch in Zukunft verwenden zu können, wurde jede Figurine ausgemessen und mit der Inventarnummer des zugehörigen Kleides versehen. Auch sie wurden in Seidenpapier und Luftpolsterfolie eingeschlagen. Nach etwa sechs Stunden war dann alles erledigt- die Figurinen dokumentiert, die Ausstellungsstücke gepflegt und im Karton. Der Transport in eines der Depots des Historischen Museums, in welchem der Rest der Sammlung aufbewahrt wird, erfolgte allerdings erst am nächsten Tag.
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