Der Sommer des Jahres 1862 bot ein ganz besonderes Ereignis für die Stadt Frankfurt und dessen Bevölkerung: Vom 13. bis 21. Juli fand auf der Bornheimer Heide das Frankfurter Schützenfest mit 100 Schießständen und 8.000 Schützen aus 9 Nationen statt. Das auch als das 1. Bundesschießen bekannte Ereignis gilt wegen seiner danach nicht mehr übertroffenen Teilnehmerzahl und der enormen öffentlichen und politischen Beachtung als das bedeutendste deutsche Schützenfest überhaupt. 202 bemalte Zinnfiguren, die einen Teil der neuen Dauerausstellung Frankfurt Einst? bilden sollen, erinnern daran. Um die Figuren in den historischen Kontext einzubetten, möchte ich erläutern, was genau in diesen Tagen in Frankfurt stattfand.
Nachdem im Jahre 1861 der bis heute bestehende Deutsche Schützenbund in Erinnerung an die gescheiterte Revolution 1848 in Gotha gegründet wurde, beschloss man, in regelmäßigen Abständen ein allgemeines Deutsches Bundesschießen abzuhalten. Das erste Treffen fand daraufhin 1862 in Frankfurt am Main statt und wurde offiziell noch als Schützenfest bezeichnet. Erst bei den darauffolgenden Bundesschießen wurde auf den Medaillen und anderen Souvenirs das Wort Bundesschießen vermerkt. Der einstige Festplatz erstreckte sich damals von der Friedberger Landstraße (nördlich) bis zur Fahrstraße nach Bornheim (westlich). 25 Morgen, d.h. umgerechnet 50625 m² nutzbares Ackerland, zum größten Teil im Besitz der Familie Rothschild, wurden an das Fest-Comité vermietet. Der Festplatz entsprach somit etwa einer Größe von 7 Fussballfeldern! Neben der Schießhalle, zwei großen Bierhallen und den Räumen der verschiedenen Comités befand sich unter anderem auch die Hauptwache der Turner und die Redaktion der Festzeitung auf dem Gelände. Auch heute noch sind die damals ausgegebenen Pokale und Medaillen begehrte Sammlerstücke. Von Adel, Industrie und Handel wurden wertvolle Preise gestiftet, die der Preisträger stolz mit nach Hause nahm. Die täglich herausgegebenen Festzeitungen mit Geschichten rund um die Schützenveranstaltung und den Ergebnislisten bieten bis heute interessante Belege für das historische Schützenwesen in Deutschland.
Die 202 bemalten Zinnfiguren über den „Frankfurter Schützenzug vom Jahre 1862“ gelangten im November 1934 durch Ankauf aus Berlin in den Bestand des Historischen Museums. Der Hersteller der Zinnfiguren war die Firma J.C. Allgeyer, die im 19. Jahrhundert eine bedeutende Fabrik in Fürth betrieb. Die Zinnfiguren sind wahrscheinlich zwischen 1862 und 1867 von Johann Friedrich Allgeyer, dem Sohn des Firmengründers und Erben, produziert worden.
Nach Recherchen von Abbildungen des Schützenfestes in Lithographien und Festzeitungen lassen sich viele der 202 Zinnfiguren zuordnen. Von den damals teilnehmenden 9 Nationen finden sich unter den Figuren zwar nicht alle, aber doch einige wieder: Neben den „Tyrolern“ lassen sich zum Beispiel auch Französische und Schweizer Schützen erkennen. Weitere Gruppen sind die „scharlachroth“ gekleideten „Zeiger“ mit ihren Scheiben und Zeigerstäben, sowie ein auffällig großes „Blumen-Bouquet“ mit Mädchen und Knaben. Dazu gesellen sich unter anderem sogenannte „Alte Deutsche“ (Figuren mit braunen und schwarzen Tierfellen), sowie zahlreiche Bogen-, Armbrust- und Luntenschützen. Nicht zu übersehen sind aber auch die Reiter mit dem Frankfurter Stadtbanner, die ebenfalls am Festzug teilnahmen. Erkennbar sind auch die Gruppe der „bewaffneten Turner von 1848″ sowie die „Landsknechte des 17. Jahrhunderts“ als Vertreter des Dreißigjährigen Kriegs.
2017 marschieren dann alle durch die neue Dauerausstellung…
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