Sammeln + Pflegen

Die Marionetten in der Kiste

Jeder Besuch im Depot ist so wunderbar, da ich dann einmal die Gelegenheit finde, die Objekte neu und wiederzuentdecken. Denn obwohl ich theoretisch die beiden Sammlungen Spielzeug und Alltagskultur betreue, habe ich faktisch wenig Zeit, mich intensiver darum zu kümmern. Zumeist sind die Stipp-Visiten im Depot meistens mit einem Anliegen verbunden – von Inventarisieren über Pflegen der Sammlung…. Ein besonders schöner Grund, wieder einmal  ins Depot zu gehen, war neulich ein Besuch des Museum für PuppentheaterKultur in Bad Kreuznach. Der Museumsleiter Markus Dorner ist zugleich Puppenspieler und hat im letzten Jahr für das Stadthistorische Museum Mainz eine Guckkastenbühne des Münchner Bildhauers und Schnitzers Walter Oberholzer restauriert. Zu der Bühne gehörten neben Requisiten knapp 30 Marionetten – alle im Miniatur-Format. Die Marionetten von Oberholzer sind heute wohl sehr selten und befinden sich fast alle in der berühmten Puppentheatersammlung des Stadtmuseums München. Fast alle – denn auch im Historischen Museum befinden sich einige der schönen Stücke, die aber etwas in Vergessenheit geraten sind.

Bei unseren Stücken handelt es sich um das Marionettentheater von Hans Kohl aus den 1930er/1940er Jahre. Es umfasst u.a. eine Bühne, Requisiten, eine Windmaschine, eine Regenmaschine, ein Blitzgerät (alles in den Tiefen des Depots) und insbesondere 34 Marionetten für vier Spiele: „Die schöne Galathee“ (Oper von Franz Suppé), „Das Mädchen von Elizondo“ (Oper von Jacques Offenbach), „Hänsel und Gretel“ und „Der Sturm (Shakespeare). Die Kostüme der ausdruckstarken Marionetten entwarf und schneiderte die Frau von Walter Oberholzer, die Kostümbildnerin Lisl Oberholzer. Die Kostüme für „Hänsel und Gretel“ entwarf die Frau von Hans Kohl, Anni Kohl.

Die Oberholzers arbeiteten vor allem für das bekannteste Puppentheater der Zeit – dem Münchner Marionettentheater. Insgesamt schuf Oberholzer um die 17oo Marionetten und Handpuppen; Lisl Oberholzer schneiderte für viele von den Puppen die Kostüme. Auch für Hans Kohl arbeiteten beide, als dieser in München eine eigene Bühne eröffnete. Kohl zog 1933 nach Frankfurt, wo er für kurze Zeit das Frankfurter Marionettentheater in der Junghofstraße eröffnete. Er gastierte mit seinem Theater auch im Rhein-Main-Gebiet. Seine von ihm inszenierten Stücke waren kleine Opern und Operetten mit Gesang und Musik. 1971 verkaufte Kohl die Marionetten an das Historische Museum,

Auch wenn die Marionetten schon seit längerem im Depot ausharren, sind sie in einem guten Zustand. Nach Aussage von Markus Dorner müsste man allein die Schnüre wieder richten, und wir könnten quasi gleich mit Auführungen loslegen – was wir nicht machen werden, da es sich um Museumsobjekte handelt. Ich hoffe aber sehr, dass wir eine andere Möglichkeit finden, dieses Kleinod in der Sammlung zu heben und einem breiteren Publikum bekannt zu machen.

 

 

2 Kommentare zu “Die Marionetten in der Kiste

  1. Dieser unglaubliche Schatz sollte unbedingt der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden! Ich durfte damals dabei sein, als Markus und Eleen Dorner mit den kleinen Oberholzer-Figuren „Kalif Storch“ mehrmals zur Aufführung brachten, und zwar als Life Bühnen Pianist, und könnte dabei die großartige Gestaltung der Mainzer Figuren bewundern. Wie spannend werden die großen sein! Also – unbedingt! Und warum nicht auch – unter verantwortungsvoller Führung – auftreten lassen? Ich wäre jedenfalls unbedingt dafür!
    Klaus Dreier , Laubacher Figurentheater

    • Nina Gorgus

      Lieber Herr Dreier, danke für Ihren Kommentar – ja, das wäre schön! Wir schauen mal, was sich machen lässt.
      viele Grüße, Nina Gorgus, Kuratorin für Spielzeug, Kindheits- und Jugendkultur

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