Hand aufs Herz: wann haben Sie das letzte Mal zuhause gründlich Staub gesaugt? Wirklich gründlich!? Letzten Monat? Vor einem halben Jahr? Oder wie wir, an schwer erreichbaren Stellen, eigentlich noch nie? Seit dem Jahr der Einrichtung unseres neuen Museumsgebäudes sind inzwischen mehr als sechs Jahre vergangen. Genauso lange steht auch das etwa 70 Quadratmeter große Stadtmodell in der Dauerausstellung von Frankfurt Jetzt!. Es wurde durch ein Team von niederländischen Künstler:innen rund um Hermann Helle gebaut.

Das Modell zeigt ein gefühltes Stadtbild und basiert auf den Ergebnissen der Sommertour, eine groß angelegte Befragung Frankfurter Bürger:innen aus den Jahren 2015/16, doch es ist nicht in dieser Zeit eingefroren. Im Gegenteil: das Modell lebt! Wichtige Veränderungen innerhalb des Stadtgebietes oder neue Akzentuierungen werden auch im Modell aktualisiert.
Anders als beim klassischen Modellbau, stammen die hier eingesetzten Materialien für die Häuser, Straßen und Parks fast alle aus dem alltäglichen Leben und sind vollkommen divers: Toilettenbürsten und Rasierpinsel ergeben den Stadtwald, Kletterseile das Autobahnnetz, Reagenzgläser und Medikamentenschachteln den Industriestandort Höchst und leimgetränkte, mit Sand und Pflanzenfasern beklebte Putztücher das Erdreich unter der Stadt. Nicht nur überirdisch, sondern auch „unter Frankfurt“ ist viel los: in kleinen Öffnungen des umlaufenden Sockels, den sogenannten Rabbitholes, laufen animierte Filme zu den Stadteilen.
Das detailreiche und verspielte Stadtmodell zieht Besucher:innen geradezu magnetisch an. Alle versuchen „ihre“ Orte innerhalb der Stadt zu finden. Orte an denen sie wohnen, arbeiten oder mit denen sie in anderer Form verbunden sind. Dazu muss man nahe heran. Oft wird mit ausgestrecktem Arm, weit in die Fläche hinein gebeugt auf ein in der Ferne entdecktes Ziel gezeigt. Werden dann mit der Begleitung spannende Erinnerungen an diesen Ort geteilt, nicht selten bestärkt durch lebhaftes Gestikulieren mit weiten Ärmeln oder Brille in der Hand, versetzt das den Restaurator in Unruhe.

Die Nähe zum Betrachter ist durchaus gewollt, darum gibt es weder Absperrungen noch Verglasungen rund um das Modell. Damit trotzdem keine Beschädigungen verursacht werden, halten die Museumsaufsichten das Publikum dazu an, nicht über oder gar in das Modell zu greifen. Eine offene Aufstellung bedeutet auch, dass der luftgetragene Staub sich nach und nach auf der Oberfläche absetzt. Staub, der in erster Linie aus Kleidungsfasern, Haaren und Hautschuppen der Besucher:innen besteht, zu einem geringen Anteil ist es aber auch Straßenstaub (Reifenabrieb, mineralische Partikel), der mit ihnen ins Haus gelangt.
Staubablagerungen sind auf lange Sicht ein ästhetisches Problem, aber nicht nur das… Je länger Staub auf einer Oberfläche verweilt und mit der Luftfeuchtigkeit reagieren kann, desto stärker verfilzt er und verbindet sich fest mit dem Untergrund. Manche Anteile des Staubs können mit den Materialien des Modells reagieren und sie chemisch verändern – beispielweise Metall anlaufen lassen. Für einige Schädlinge ist Staub schließlich noch – wie leider auch viele andere Materialien im Museum – ein willkommenes Fressen.

Bislang wurde das Modell nur an seinen Rändern regelmäßig abgestaubt. Der innerhalb der Modellfläche liegende Bereich war dagegen nicht so einfach zu erreichen. Dort setzte sich der Staub ab, weiter und weiter, sechs Jahren lang. Man stelle sich einmal vor, zuhause so lange nicht Staub zu saugen… Es wurde also Zeit! Nur wie? Abblasen mit Druckluft? Das hätte den Staub im gesamten Museum verteilt. Ein Staubsauger mit langem Rüssel? Nein. Der Gesamtaufbau steht zwar noch immer einwandfrei, doch an einigen der verspielt ausgeführten Szenerien nagt der Zahn der Zeit. Die Verklebungen vieler Teile sind geschwächt oder gelöst. Einige der Hochhäuser mussten sogar ausgetauscht werden, weil sich die Konstruktion als nicht dauerhaft genug herausstellte und einfach in sich zusammenstürzte. Das alles verlangte ein behutsameres Vorgehen und das Arbeiten „auf Sicht“.
Nach einigen Überlegungen fanden wir zu dieser einfachen, funktionalen, aber zugegebener Weise auch etwas abenteuerlichen Lösung: zwei acht Meter lange Balken und zwei Rollgerüste ergaben zusammen eine Arbeitsbrücke, auf der zwei Plattformen wie Schlitten an die gewünschten Positionen geschoben werden konnten. Das Abstauben erfolgte bäuchlings liegend unter Verwendung weicher Ziegenhaarpinsel und eines tragbaren Staubsaugers mit stufenlos einstellbarer Saugleistung. Um die erforderliche Konzentration und das nötige Fingerspitzengefühl sicherzustellen, planten wir die Aktion in einer Umbauphase des Stadtlabors und schlossen die gesamte Etage für den Besucherverkehr. Es dauerte sechs volle Tage, wobei in dieser Zeit außerdem abgelöste Teile neu verklebt, der Gesamtzustand des Modells dokumentiert und eine Aufbewahrungsmöglichkeit für die langen Balken geschaffen wurden.
Hallo liebes HMF-Team!
Schön, dass unser „scheee Frankforrd“ wieder ordentlich sauber ist. Vielen Dank allen Helfenden, wir freuen uns schon auf ein porentief reines Wiedersehen!
Freundliche Grüße, Chr. Schubert-Kletschka